Paris/Kiew - Schwere Vorwürfe gegen die Justizbehörden der Ukraine erhebt die in Paris ansässige Organisation "Reporter ohne Grenzen" (Reporters sans Frontières/RSF, Website: www.RSF.fr ) im Zusammenhang mit dem Verschwinden des Journalisten Georgij Gongadse. Die Organisation, die Anfang Jänner eine Untersuchungsmission in der Ukraine durchführte, fordert den ukrainischen Präsidenten Leonid Kutschma nun dringend auf, den Fall des vermutlich ermordeten Journalisten neu und gründlich zu untersuchen. Falls das unterbleibt, will RSF dem Europarat empfehlen, die Mitgliedschaft der Ukraine zu suspendieren. Die Ermordung Gongadses wurde zur Staatsaffäre, als im November Aufzeichnungen von den Journalisten bedrohenden Gesprächen an die Öffentlichkeit gelangten, die vermutlich aus dem Büro des Staatspräsidenten stammten. RSF kam nach Anhörung Dutzender Zeugen und nach einem Gespräch mit Kutschma in einem ausführlichen Bericht (Titel: "Verstümmelung der Wahrheit") zum Ergebnis, dass Gongadse wegen seiner journalistischen Arbeit ermordet wurde. Aussagen von Zeugen, wonach Gongadse (nach kritischen Äußerungen über den Zustand der ukrainischen Pressefreiheit) beschattet und bedroht worden sei, wurde von den Behörden nicht nachgegangen. Vielmehr erhielten diese Zeugen selbst Drohungen. Die RSF-Untersucher hatten den Eindruck, dass die Behörden ihre Untersuchungen mit dem Ziel betrieben, staatliche Stellen reinzuwaschen. In die Analyse der Tonbänder, die das Wiener Internationale Presseinstitut IPI durchführt (DER S TANDARD , 13. 1. - Archivsuche ) hat sich nun auch die parlamentarische Versammlung des Europarates eingeschaltet. (est/DER STANDARD, Print-Ausgabe, 25. 1. 2001)