International
NS-Entschädigung: Österreich soll sich entschuldigen
Jüdischer Weltkongress droht - Sonderbotschafter Sucharipa: "Nicht schrecken"
Wien/New York - Der Jüdische Weltkongress (WJC) fordert von Österreich eine Entschuldigung für die Beteiligung des Landes an der Verfolgung und Ermordung von
Juden in der Nazizeit. Andernfalls, so drohte der WJC am Mittwoch in New York, würde man die Einigung zur Entschädigung von NS-Opfern nicht unterzeichnen.
Nach Angaben von Elan Steinberg vom WJC müssen alle beteiligten Parteien die
Vereinbarungen noch abschließend billigen, bevor sie umgesetzt werden können.
Dies könnte bedeuten, dass die Vertreter jüdischer Interessen sich bis zu einer offiziellen Entschuldigung Österreichs gegen das Inkrafttreten
der Vereinbarungen sperren. Damit hätte Österreich auch
keine Rechtssicherheit vor weiteren Klagen. Der Vorsitzende der Israelitischen Kultusgemeinde in Wien, Ariel Muzicant, betonte, dass die Aussage Steinbergs ohne Rücksprache mit der Kultusgemeinde erfolgt sei. Jetzt brauche man keine
„Drohgebärden“.
Auch Österreichs Sonderbotschafter Ernst Sucharipa
relativierte die Drohung des WJC. „Das braucht uns nicht
schrecken.“ Der WJC sei nicht einmal Verhandlungspartner
gewesen, stellte Sucharipa im Standard-Gespräch klar. Das
vergangene Woche unter zeichnete Abkommen sei das
Schlussdokument gewesen. Auch im Büro von Bundeskanzler Wolfgang Schüssel
sieht man keinen Grund zur Sorge. Die Verhandlungen
seien abgeschlossen, hieß es lediglich.Warten auf Schüssel
Ganz anders sieht dies Moshe Jahoda, Österreich-Vertreter der Claims Conference (ein Dachverband jüdischer Organisationen). Er wartet auf eine Erklärung: „Es
wurde bei den Gesprächen in Washington als eine Selbstverständlichkeit angesehen,
dass Schüssel das Bedauern über die Ungerechtigkeit und Grausamkeit, die während der NS-Zeit den jüdischen Mitbürgern widerfahren ist, zum
Ausdruck bringt.“ Daran habe sich nichts geändert.
Im Rahmen der Verabschiedung der Gesetzesmaterie soll
kommenden Mittwoch Bundeskanzler Schüssel im Nationalrat zur Restitution Stellung nehmen. Ob dabei auch eine Entschuldigung fallen
wird, ist offen.
In Österreich laufen die Arbeiten für die Umsetzung der
Vereinbarung indes weiter. Bei Sonderbotschafter Sucharipa sind diese Woche bereits die Verträge in deutscher Übersetzung eingelangt. In einem Anhang, der dem Standard vorliegt, verpflichtet sich die Republik, „bis spätestens 30. April 2001 im Nationalrat eine Vorlage für das erforderliche Gesetz zur Errichtung eines Allgemeinen Entschädigungsfonds“ einzubringen. Es soll „bis spätestens 30.Juni 2001“ verabschiedet werden. Die 150 Millionen Dollar (rund 2,2 Mrd. Schilling) „Soforthilfe“ sollen „beschleunigt verteilt“ werden. Insgesamt wird Österreich 380
Millionen Dollar (5,63 Mrd. S.) zahlen.(DerStandard, Print-Ausgabe, 26.1.2001/pm)