Inland
SPÖ will Weisungsrecht für Staatsanwälte "flott" bekommen
Forderung nach Einrichtung einer Bundesstaatsanwalt
Wien - Das Weisungsrecht für Staatsanwälte "wieder flott zu bekommen" ist erklärtes Ziel der SPÖ. In einer SPÖ-Enquete im
Parlament präsentierten am Donnerstag Klubobmann Peter Kostelka und Justizsprecher Hannes Jarolim die Vorschläge, die auf die
Einrichtung eines unabhängigen, weisungsfreien, dem Parlament verantwortlichen Bundesstaatsanwaltes abzielen. In Kurzreferaten nahmen
namhafte Vertreter der Rechtspflege sowie der Rechtswissenschaft zu diesem sensiblen Thema Stellung.
Die Diskussion rund um das Weisungsrecht habe durch den jetzigen Justizminister einen aktuellen Hintergrund bekommen, erklärte Kostelka.
Das Thema selbst sei aber schon lange im Gespräch. Gerade wegen des Weisungsrechtes des Justizministers den Staatsanwälten gegenüber
habe es 1986 bis zum Jahr 2000 bewusst ausschließlich parteifreie Justizminister gegeben. "Wir wollen das Weisungsrecht wieder flott
bekommen und deswegen ist es notwendig, es vom Justizminister weg zu einem unabhängigen Bundesstaatsanwalt, der dem Parlament
verantwortlich ist, zu verlagern", erklärte Kostelka.
Für Ludwig Adamovich, Präsident des Verfassungsgerichtshofes, ist es wichtig, die Diskussion um das Weisungsrecht zu schüren. "Die
Verfassung sagt nichts dazu, was zu geschehen hat, wenn der Justizminister befangen ist", erklärte Adamovich. Für ihn wäre die Installierung
eines Bundesstaatsanwaltes denkbar, wenn besonderes Augenmerk auf seine fachlichen Voraussetzungen gelegt werde. Auch sollte ein
Mißtrauensvotum gegen einen Bundesstaatsanwalt nicht möglich sein. Adamovich kann sich einen Kompromiss vorstellen, wonach im
Befangenheitsfall der Justizminister wohl noch generelle Weisungen erteilen kann, aber keine Weisungen im Einzelfall.
Dringend nötig ist für Friedrich Matousek, Präsident der Vereinigung der Staatsanwälte, die Aufnahme der Staatsanwaltschaft in das
Bundesverfassungsgesetz. Das würde den wichtigen Stand der Gerichtsbarkeit absichern. "Uns geht es um die Kernfrage, ob die
Strafverfolgung von der Regierungsgewalt abhängen darf", erläuterte Matousek. Es müsse die Garantie bestehen, dass Staatsanwälte ohne
jede politische Einflussnahme ihren Aufgaben nachgehen können.
In zahlreichen europäischen Ländern, so Matousek, gebe es bereits völlig unabhängige Staatsanwälte. Dennoch sind die Staatsanwälte nicht
prinzipiell gegen ein Weisungsrecht. "Wir sind aber gegen die Installierung einer neuen Behörde, den Bundesstaatsanwalt. Das ist nur mit
Kosten verbunden. Wir können uns vorstellen, dass der Generalprokurator an der Spitze unserer Weisungshierarchie steht", stellte der
Präsident der Staatsanwälte fest.
Auch Wolfgang Aistleitner, Vizepräsident der Richtervereinigung, plädierte für die Aufnahme der Staatsanwaltschaft in das
Bundesverfassungsgesetz. Das Weisungsrecht für Staatsanwälte müsste nach Aistleitner dringend aus Gründen der rechtspolitischen Optik
und der gesellschaftlichen Akzeptanz geändert werden. "Es gibt nur mehr wenige Rechtssysteme in der EU, in denen Staatsanwälte derartig
abhängig sind wie in Österreich", stellte Aistleitner fest. Dennoch sei heute keiner mehr ernsthaft für die gänzliche Weisungsfreiheit für
Staatsanwälte. Die Spitze in der Weisungshierarchie müsste aber dringend anders gestaltet werden. Die Richter können sich laut Aistleitner
mit dem Vorschlag der Staatsanwälte, den Generalprokurator an ihre Spitze zu stellen, anfreunden.
Einen deutlichen Kontrapunkt zu den vorhandenen Meinungen setzte Helmut Fuchs, Institut für Strafrecht der Universität Wien. Seiner
Meinung nach könnte gut alles so bleiben wie es ist. Die wenigen politischen Strafverfahren könnten eine komplette Änderung des
Weisungsrechtes der Staatsanwälte nicht rechtfertigen. Heute würde es, so Fuchs, auch einem Justizminister in einem Befangenheitsfall nicht
leicht fallen, unsachgemäße Weisungen zu erteilen. Die Weisungen müssten schriftlich erteilt werden, könnten ersichtlich und öffentlich bekannt
gemacht werden. Jeder Minister werde da sehr vorsichtig sein, meinte Fuchs. In einem tatsächlichen Befangenheitsfall des Justizministers kann
sich Fuchs die Weisungsfreistellung des Ministers vorstellen.
Für Jarolim würde mit der Einrichtung eines Bundesstaatsanwaltes die bestmögliche Rechtschutzform gefunden werden. "Im Dritten Reich hat
sich die Spruchpraxis der Gerichte allein über den Missbrauch des Weisungsrechtes, nicht über neue Gesetze geändert", stellte Jarolim fest. (APA)