Weil er es uns schon so oft gesagt hat, sind wir über die Dimension von Hans Dichands Demut ziemlich gut informiert: Lieber streichelt er seinen Hund, als Macht auszuüben. Weit kann man es in der Welt der heimischen Medien mit Hundestreicheln bringen! Dichands Bescheidenheit kommt aber auch darin zum Ausdruck, dass er sich erst vier Biografien gewidmet hat (wenn wir keine übersehen haben). Zwei davon unter eigenem, eine dritte unter dem Autorennamen eines "Krone"-Korrespondenten. Zum 80. Geburtstag bediente sich Seine Bescheidenheit einer Frau Lore Jarosch, die ein Buch über Helmut Zilk sowie einen Roman mit dem Titel "Ich, Elisabeth" verfasst hat und nun mit Hans Dichand ihr bisheriges Schaffen krönte.

Wer eine der früheren Lebensbeschreibungen gelesen hat, ersieht auch aus Frau Jaroschs sehr persönlichem Porträt nichts Neues zur Person, dafür jede Menge alter bewegender Momente: Der arme Hund wird noch immer gestreichelt, die Sahara wird wieder abgeschritten, in der Hainburger Au wird nach wie vor gepicknickt, und neuerlich wird mit Heimito von Doderer auf Krebsenfang gegangen - dieses Kapitel ist fast wörtlich aus einem früheren Buch abgeschrieben. Die Leistung der Autorin besteht in Anbetung der blinden Art: Zu Füßen Dichands sitzend, hat sie jedes seiner Worte aufgesogen und dann so festgehalten, wie das auch ein Biograf, der mit seinem Objekt verschmelzen will, keinesfalls tun sollte - in Catos O-Ton.

Aus Platzgründen übergehen wir - obwohl auch lecker - Kapitel wie Hans Dichand und die Kunst oder Hans Dichand und Helmut Zilk und widmen uns dem Kern der Sache: Die Macht der "Krone". Alle Zitate sind echt. Etwa dieses zur Person: Hans Dichands Wegbegleiter ist eindeutig das Understatement, was ihn ungewollt in den Vergleich mit dem Schicksal der Familie Rockefeller drängt, die alles andere als erfreut war, das schwarze Schaf Nelson als Vizepräsidenten an die Politik zu verlieren. Damit war verbunden, dass die gesamte Verwandtschaft äußerst widerstrebend ihre Vermögensverhältnisse deklarieren musste. Rockefellers sind dafür bekannt, gerne ein paar Nullen zu vergessen. Derart ungewollt und ohne jeden erkennbaren Sinn in den Vergleich mit dem Schicksal der Familie Rockefeller gedrängt zu werden, ist typisch für Dichands Bescheidenheit.

Das wird die Kollegen von der APA interessieren: Man denke nur an das Schalenmodell von Erwin Schrödinger und daran, dass Nachrichtenagenturen ähnlich diesem, wie konzentrische Kreise ineinander gelagert, sich jeweils bedingt durch die Nachricht der vorhergehenden ineinander verzahnen. Da brauchen wir Leitfiguren, denn: Auch wir werden dementsprechend mit amerikanischem Material gefüttert, das uns mehr anfüllt als Südtiroler Probleme - falls sich dort nicht wieder einmal ein Anschlag abgespielt hat, der durch alle Medien geistert, oder der Urgroßvater zufälligerweise aus der Gegend stammt.

Hartes Leben in einer grausamen Medienwelt: Täglich schüttet uns welches Medium auch immer die Welt und ihre Katastrophen ins Gesicht, während wir und unser Leben weder dafür geschaffen noch dazu ausgerüstet sind. Jeder von uns hat irgendwann einmal ein schlechtes Gewissen verspürt, weil er, mit so viel Leid und Gräuel im Fernsehen konfrontiert, wie es die gesamte Kreuzritterschaft nicht zuwege brachte, seine Würstel im Vorzug höheren Bedeutungsgrades genießen konnte. Kapiert? Und noch ein Rückblick: Wenn Goethe die Französische Revolution als "Geburtsstunde einer Zeit" sieht, "die noch nicht vorüber ist", so lässt sich deren Fortpflanzung in dem immer noch nicht vollzogenen Wandel der Politiker erkennen, die wie damals nicht im Stande sind, sich dem Volk zu nähern und aus diesem hervorgegangenen Kulturellen, Geistigen und Künstlerischen etwas Gleichwertiges entgegenzusetzen. Wem noch ist es gegeben, die Fortpflanzung einer Zeit, die noch nicht vorüber ist, so klar zu beschreiben?

Ein guter Rat: Politischen Beistand holt man sich aus dem Showbusiness und liegt damit gar nicht so falsch. Ein Helmut Zilk hatte das nicht nötig. Ihm hat man aufgrund seiner Persönlichkeit, die wie bei Kreisky zuließ, Menschlichkeit in jeder Form vor die Kamera zu tragen, die ganze Aufmerksamkeit gezollt, als er grimassenschneidend auf einer Pressekonferenz im Beisein von Gemüsehändlern Paprika aß. Von wegen Showbusiness nicht nötig.

Zum Verhältnis Journalist und Leser: Viele sehen Journalisten als nicht sehr beliebt an, weil sie als zweifellos privilegierte Gruppe jene Mittel anwenden, die wir als anständige Menschen vermeiden, wie beispielsweise Neugierde - aber wissen wollen wir es dann doch und so liest jeder in seinem stillen Kämmerlein die Zeitung ohne schlechtes Gewissen, in dieselben Zimmer des Elends, um dieselben Ecken der Welt geblickt zu haben. Und was sieht er? Das Volk selbst ist die größte Gefahr für die Pressefreiheit, die wieder nur ihm selbst am meisten nützt, und dies zu erkennen, dem anders lebenden Journalisten das Feindbild zu nehmen, das jede unerreichte Position und jeder Neid erwecken, sich niemals über seine Leser zu stellen, das ist das Verdienst Hans Dichands.

Und wie wurde dieser Mann verkannt! Aber wen wundert 's, kennt er sich doch selber nicht. Während man in der Publizistik immer rätselt, ob das Medium die Meinung oder die Meinung das Medium schuf, lebt Hans Dichand seinen stillen Einfluss, der seinen Kritikern stets genauso unauflösbar sein muss wie ihm selbst.

Dazu kann man nur gratulieren. Günter Traxler