Der Anfang einer Sommerlochgeschichte geht so: Der Leiter des Vorarlberger Autorenverbandes kommt aus dem Urlaub in Spanien zurück und erhält einen Anruf vom Götzner Bürgermeister, ob man schon den STANDARD vom 23. Juli 1999 gelesen habe. Dort stehe drin, der Vorarlberger Autorenverband und die Gemeinde Götzis stünden in Streit mit Wole Soyinka, Präsident des Schriftsteller-Parlaments in Straßburg/Brüssel, wegen der Frage des weiteren Götzis-Aufenthalts von Jodgor Obid, verfolgter Schriftsteller aus Taschkent. Die Gastgeber trügen sich mit der Absicht, ihr literarisches Patenkind wieder loszuwerden! Der Urlauber wundert sich, war er doch gerade in Urlaub, anstatt sich mit Nobelpreisträgern zu streiten. Noch mehr wundert er sich, als er hört, die Gemeinde Götzis habe einen Tag vor Erscheinen des STANDARD-Artikels einstimmig im Gemeinderat beschlossen, die Mittel für ein weiteres Aufenthaltsjahr Obids in Götzis bereitzustellen. Der Bürgermeister fragt zu Recht, ob es da nicht Erklärungsbedarf gebe.
Um es mit Leopold von Ranke zu halten und das Ganze so darzustellen "wie es wirklich gewesen ist": Der Vorarlberger Autorenverband wurde vom Bundeskanzleramt gefragt, beim österreichischen Asyl-Netzwerk mitzumachen. Da die Gemeinde Götzis sich spontan bereit erklärte, dieses Anliegen zu unterstützen, ist Jodgor Obid im September 1998 nach Götzis gekommen. Er hat sich erstaunlich gut eingelebt, und es hat sich bald eine soziale Einbettung von Obid ergeben, die mancher Großstadt zur Ehre gereichen würde.
Jeder kennt Obid
Eine Vielzahl von Veranstaltungen wurde durchgeführt, u. a. im Rahmen von "Poesie International Dornbirn 1999", einem Treffen von 30 Lyrikerinnen und Lyrikern aus neun Ländern am Dornbirner Spielboden im Juni dieses Jahres, wo es einen speziellen Schwerpunkt - Autoren im Exil - gab (neben Obid mit den Dichtern aus Ex-Jugoslawien Dragoslav Dedovic - z. Z. in Wangen/Allgäu - und Muhidin Saric - z. Z. Gast in Graz im Rahmen des Netzwerks der Asylstädte). Lesungen in Wien, Salzburg, im deutschen Bodenseeraum; die Teilnahme Obids bei P.E.N.-Treffen kommen neben anderen Aktivitäten hinzu. Mittlerweile kennt fast jedermann in Vorarlberg den Dichter Obid und die Gesamtproblematik, für die er stellvertretend steht. Dazu beigetragen hat vor allem auch die Herausgabe einer CD, die als Titel eine Zeile eines Obid-Gedichts trägt: "Hier bin ich nun, und meine Träume toben."
Um es ganz klar zu sagen: Das sachliche Anliegen der verfolgten Schriftsteller ist viel zu wichtig, als dass es zwischen den Mühlsteinen einer falsch angelegten Diskussion um wichtige und richtige Themen wie österreichische Mentalität, latente und manifeste Ausländerfeindlichkeit, Parteien- bzw. Wahlrücksichten, Sommerloch-Infotainment und Bürokratismus zerrieben werden dürfte.
Gedanken unterstellt
Und um es noch klarer zu sagen: Nicht ein Gedanke der unterstellten Art war in unserem Kalkül in Götzis und beim Vorarlberger Autorenverband dabei, als es um die Anfrage beim Schriftsteller Parlament bezüglich des zukünftigen Verbleibs von Obid ging.
Richtig ist vielmehr: Die Heinrich-Böll-Gesellschaft in Köln hat Obid einen Aufenthalt in Langenbroich bei Düren, dem letzten Wohnort von Heinrich Böll, angeboten. Um klar planen zu können, wie nach dieser Zeit zu verfahren sei, hat der Vorarlberger Autorenverband beim Schriftsteller Parlament angefragt, welche Vorschläge es von dessen Seite für eine weitere Asylstadt gibt. Wenn nun das Schriftstellerparlament die Vereinbarung mit Staatssekretär Wittmann (siehe Walter Grond im STANDARD vom 26. Juli) - auf Regierungs- und nicht nur Gemeindeebene - so nicht akzeptiert, ist dies ein Dissens zwischen Bundeskanzleramt und Brüssel. Im Übrigen basiert die Zusammenarbeit zwischen Graz und IPW sowie Wien und IPW auf derselben Grundlage; nur Salzburg hat von den vier österreichischen Zufluchtsorten eine Vereinbarung direkt mit dem IPW.
Liebe Elfriede Jelinek, Ihre grundsätzliche Position zu wichtigen Fragen nicht nur in allen Ehren, sondern ausdrücklich: d'accord! Bloß: Sie haben leider, was das Vorarlberger Engagement in dieser Sache betrifft, grotesk daneben gegriffen. Es ist schlicht das falsche Beispiel für das, was Sie kritisieren. Es geht halt nichts über eine solide Kenntnis der Sachlage.
Franz-Paul Hammling, Leiter des Vorarlberger Autorenverbandes (weder österreichischer Staatsbürger noch gar Parteimitglied, sondern: Westfale); Werner Huber, Bürgermeister von Götzis.
Auszüge aus dem Brief Franz-Paul Hammlings (vom 12. 5. d.J.) an den Präsidenten des Schriftstellerparlaments, Wole Soyinka, betreffend die "Bereitschaft" zur weiteren Betreuung Jodgor Obids:
"Sehr geehrter Herr Präsident, am 1. September 1999 endet gemäß Vereinbarung mit dem Schriftstellerparlament das Aufenthaltsjahr von Herrn Obid. Wir sehen uns in der Lage, Herrn Obid noch außerplanmäßig bis 1. Jänner 2000 zu unterstützen. Zu diesem Zeitpunkt jedoch muss seine Betreuung durch uns umgehend enden.
Wir werden uns wegen einer Weitervermittlung von Herrn Obid direkt an das Writers Parliament wenden und erwarten von Ihnen entsprechend unterstützende Schritte. Günstig wäre es, wenn Sie uns im Vorfeld konkrete Vorschläge für den weiteren Verbleib Herrn Obids machen könnten."