Jutta Roy-Seifert

Als seit Jahren im Rahmen des P.E.N. Club mit der Problematik bedrohter und verfolgter Autoren Befasste, freute es mich natürlich, dass dem STANDARD vom 23. Juli dieses Thema die ganze Seite 2 und einen ausführlichen Kommentar wert war. Wenn ich allerdings bedenke, welche Reaktionen damit ausgelöst werden konnten, sehe ich das schon weitaus weniger positiv.

Das Projekt der Asyl- oder Zufluchtsstädte ist leider nicht sehr konsequent durchdacht. Vor allem die vom Europäischen Schriftstellerparlament vorgegebene zeitliche Aufenthalts- bzw. Finanzierungsbegrenzung am Zufluchtsort auf ein Jahr (für Autoren mit Familie eventuell auf ein zweites Jahr verlängerbar) kann die Probleme ins Exil getriebener Autoren kaum lösen, und schafft allen Beteiligten größtes Kopfzerbrechen. Dafür aber Leute hier im Lande, die sich trotz des sehr unausgereiften Status quo mit viel Engagement und ohne lange zu zaudern für die Sache, das heißt für die verfolgten und bedrohten Autoren wirkungsvoll eingesetzt haben, gleich in einem Rundumschlag zu verurteilen, ist leider ausgesprochen kontraproduktiv und der Sache alles andere als dienlich.

Tatsache ist, dass sowohl der usbekische Dichter, Jodgor Obid, den zunächst Graz für ein Jahr aufgenommen hatte, als auch der ägyptische Autor Essam G. Abou Seif in Wien, permanentes Asyl zuerkannt bekamen, gewiss auch, weil sie vom Europäischen Schriftsteller Parlament und von den hier im Lande Zuflucht gewährenden Städten akzeptiert worden sind. Sie können also nicht einfach "zurückgeschickt" werden. Jeder Fall liegt ein bisschen anders und fordert von allen, die wollen, dass dieses Projekt der Zufluchtsstädte funktioniert, sehr viel Fingerspitzengefühl, sowohl im Umgang mit den diversen "Offiziellen" als auch mit den betroffenen Autoren selbst.

Wer findet einen Autor?

Die Grundidee Salman Rushdies (der ebenso wie Wole Soyinka P.E.N.-Mitglied ist, beide wurden als verfolgte Autoren auch vom Writers-in-Prison-Komitee betreut) für dieses Zufluchtsnetzwerk wird offenbar von einigen Leuten ziemlich missverstanden. Es sollte doch keine Kompetenzfrage sein, wer Autoren finden darf, die es "verdienen", dass ihnen im Rahmen des vom Europäischen Schriftsteller Parlament gegründeten Netzes Zuflucht gewährt wird. Über die besten Informationen verfolgte Autoren betreffend, verfügt sicherlich das Writers-in-Prison Komitee des Internationalen P.E.N. Clubs. Mitunter gelingt es Autoren auch ohne dessen Hilfe, der Verfolgung in ihrem Land zu entkommen, die sich dann meistens hilfesuchend beim P.E.N. Club des Exillandes melden.

Nicht irritieren lassen

Hoffen wir, dass hier im Land und anderswo am Netzwerk der Zufluchtsstädte Mitknüpfende sich auch weiterhin nicht von den bestehenden Schwierigkeiten und irgendwelchen Kompetenzquerelen oder nicht wirklich informierten Kritikern irritieren oder entmutigen lassen.

Und dass die schöne und kluge Rede Barbara Frischmuths zur Eröffnung der Salzburger Festspiele nicht auf taube Ohren traf. Dann muss sich diese Idee für Menschlichkeit und Weltoffenheit, mit viel zusätzlich erforderlicher Überlegung, in entsprechend verbesserter Form auf einer viel breiteren, demokratisch verstandenen Basis, also ohne kleinliche Wichtigtuerei, so großzügig und mutig wie irgend möglich weiterhin in die Realität umsetzen lassen.

Jutta Roy-Seifert, Vizepräsidentin des Österreichischen P.E.N. Clubs und Betreuerin der Familie des Exilautors E. G. Abou Seif.