An so hohen Festtagen sind Jubelchöre angesagt. Dieser Jubilar freilich hat sich alle Lobgesänge schon selbst dargebracht. Und auch seine Entourage sang kraftvoll mit. Als Arena dient die eigene Zeitung, Widerspruch ausgeschlossen. Man wird schwerlich eine andere Zeitung finden, die ständig mit solcher Leidenschaft der apologetischen, oft aggressiven Nabelschau huldigt. Unvergessen Cato am 2. Juni '89, als sein Blatt wegen der Lainz-Berichterstatung ("Schweinchen") gerichtlich gezwungen wurde, eine fünfseitige (!) Entgegnung zu veröffentlichen: "Jetzt ... kommen die Neider und Hasser erneut wie Ratten aus dreckigen Hinterhöfen hervor. Mit ihren vom Aas ihrer Gesinnung vergifteten Zähnen versuchen sie uns anzufallen." Warum solch dumpfes Selbstmitleid trotz des ja unbestrittenen jahrzehntelangen Quotenerfolges? Könnten vielleicht Einsichten wie diese der Grund sein?: "In der NKZ, dem größten und agitationslüsternsten Revolverblatt der Alpenrepublik, pflegt die Befehlsausgabe an die austriakische Volksseele stattzufinden, wenn es um Entrüstung geht." Der - beliebig auswechselbare - Anlassfall, der Michael Frank, den Korrespondenten der Süddeutschen, dies im Oktober 1988 notieren ließ, war die Kampagne gegen Thomas Bernhard ("Heldenplatz"). Ob unseren Jubilar bei einem solchen Satz auch einmal eine Einsicht, ein Gefühl anweht, wie dies von seinem großen deutschen Pendant Axel C. Springer berichtet wird: Er habe angesichts des publizistischen Treibens seiner Bild-Zeitung oft "gelitten wie ein Hund"? Wer sich seinen Kinderglauben an die Altersweisheit bewahrt hat, kann ja noch hoffen. Vorläufig aber ist die Rhetorik des Hans Dichand bestimmt vom Gestus der verharmlosenden Selbststilisierung, des Kleinredens, der Camouflage. Darum muss man, will man die kommunikative Macht dieses Blattes begreifen, alle diese Eigendarstellungen des Verlegers und seiner Gehaltsempfänger vergessen. Sie vernebeln nur und machen die Strukturen nicht deutlich, die die NKZ zu einer gefährlich populistischen gesellschaftlichen Institution gemacht haben. Die Krone hat sich in Jahrzehnten zu einem Machtzentrum österreichischer Politik entwickelt. Und wenn auch nur, weil die Politiker ihre Macht fürchten und in voraus- eilendem Gehorsam, beim Lunch im Korso, ihre Strategien an den zu erwartenden journalistischen Feldzügen ausrichten. Verantwortlich ist das Blatt auch an der Verrohung sprachlicher Sitten, weil allzu oft Hasstiraden den rationalen Dialog ersetzen. Das hat - in einer Art kollektivem Lernprozess ganzer Generationen - die populistische Arena vorbereitet, in der eine Politik Erfolg haben konnte, die Österreich zum Paria der europäischen Demokratien machte. Ich breche ab. Ein dickes, analytisches Buch müsste man darüber schreiben: von der heimlichen, unheimlichen Macht der NKZ. Wolfgang R. Langenbucher lehrt Kommunikationswissenschaft an der Universität Wien. (DER STANDARD, Print-Ausgabe, 26. 1. 2001)