Sydney - Schlagzeilen über eine rasante Vermehrung von Haien im Hafen von Sydney versetzen derzeit die Bevölkerung in helle Aufregung. Ob es sich jedoch um eine tatsächliche Plage oder nur um Sensationsjournalismus handelt, darüber streiten zur Zeit australische Medien und Wissenschafter. Begonnen hatte der Zwist in der vergangenen Woche, als australische Zeitungen über den Fang eines drei Meter langen Bullenhais im Parramatta Fluss berichtet hatten. Der Fluss zieht sich vom Hafen aus durch die Vororte der Stadt. "Monster mitten unter uns", titelte die australische Boulevardzeitung "Daily Telegraph". Obwohl Experten den Bullenhai-Fang als durchaus ungewöhnlich bewerten, gehen sie nicht von einer weiteren Verbreitung der Tiere aus. Die Hai-Sichtung würde von der Presse ausgeschlachtet. Zuletzt war 1963 im Hafen von Sydney ein Mensch von einem Hai getötet worden. Believe the hype! Unerwartete Unterstützung erhielten die Zeitungen diese Woche jedoch von der australischen Umweltschutzbehörde EPA . Diese teilte mit, dass die Wasserqualität im Hafen von Syndey besser sei als in den Jahrzehnten zuvor, was grundsätzlich zu einer stärkeren Vermehrung von Fischen führe. "Keiner kann anzweifeln, dass das Hafenwasser besser wird, und dass dies einen positiven Einfluss auf die Tierwelt hat. Mehr Fische, mehr Haie", sagte John Dengate von EPA. Dass der Fischbestand in saubererem Wasser zunimmt, hält der Haifisch-Forscher John Stevens von dem staatlich geförderten Forschungsinstituts im australischen Hobart für eine nicht bewiesene Annahme. "Die Wahrheit ist, dass Haie immer dort sind. Ich glaube, wenn man einmal das Wasser aus dem Hafen lassen würde, wäre man ziemlich überrascht darüber, wieviele dort herum schwimmen." "Sind sie einfach nicht mehr durch das Abwasser versteckt?" Der Meeresbiologe Tony Underwood von der Universität Sydney sieht sogar in der Umweltverschmutzung einen Grund für die vermeintliche Vermehrung der Fische. Die Tiere versuchten so, ihre Zahl zu stabilisieren. Bei den Haien in Sydney müsse man sich aber eher fragen, ob es daran liege, dass sie wegen des saubereren Wassers nun zu sehen seien. "Sind sie einfach nicht mehr durch das Abwasser versteckt?" Vor 150 Jahren habe es in Sydney viel mehr Haifische gegeben als heute, sagte Dave Crass von Erlebnispark "Manly Oceanworld". Damals seien Hunderte vor der Küste umher geschwommen. Es sei jedoch davon auszugehen, dass die Haie dahin kämen, wo es Beute gebe. "Wenn es mehr Nahrungsbestand im Wasser gibt, dann kommen auch die großen Raubtiere vermehrt", sagte Crass. Gefahr im Alltag Die Meldungen haben die Einwohner Syndeys jedenfalls aufgerüttelt. Schließlich tummeln sich jedes Wochenende Tausende Schwimmer und Hunderte Segelboote in der Bucht. Die Angst scheint, zumindest statistisch gesehen, jedoch unbegründet: Obwohl es in australischen Gewässern schon immer Raubfische gegeben hat, sind seit der Besiedlung weniger Menschen durch Hai-Angriffe als beispielsweise durch Bienenstiche getötet worden. Aber auch erfahrene Taucher äußerten Zweifel an der vermeintlichen Plage. Die Gerüchte seien lediglich durch wiederholte Sichtungen in ganz Australien angeheizt worden. Ein 76-jähriger Taucher aus Sydney sieht die angebliche Gefahr denn auch gelassen: "Außerdem haben sie es so und so nicht auf Menschen abgesehen. Für die meisten gilt: Wenn sie dich beißen und merken, dass du kein Fisch bist, spucken sie dich wieder aus." (Reuters)