Mehr als 70.000 Freiberufler zählt Melitta Fasching von
Statistik Austria hierzulande,
Tendenz stark steigend. Dieser Trend umfasst keineswegs
nur klassische freiberufliche
Branchen wie Ärzte oder
Rechtsanwälte, sondern auch
Netzwerke aus Experten verschiedenster Branchen, die
ihr Wissen weltweit via Internet anbieten.
Diese Arbeitsform gewinne
deswegen an Bedeutung, da
zunehmend "Flexibilität und
Schnelligkeit" Erfordernisse
der modernen Wirtschaft seien, meint Andreas Steinle
vom Trendbüro in Hamburg,
"der Zeitvorteil entscheidet".
Außerdem habe sich der Arbeitsmarkt für hochqualifizierte Personen zum Angebotsmarkt entwickelt; "im riesigen Jahrmarkt der Möglichkeiten" sieht Andreas Meinheit von A&B Analyse und
Beratung, Hamburg, eine weitere Erklärung für den Trend
zur Freiberuflichkeit: "Warum
auf etwas verzichten, das im
Bereich des Möglichen liegt?"
Optionismus
Stefan Baumann vom
Trendbüro nennt es "Optionismus" und meint damit das
Phänomen der Suche nach
Bindungslosigkeit. Intrapreneure können schließlich entscheiden, für wen, wann und
wo sie arbeiten und sind somit
weder vom Arbeitgeber noch
vom Standort abhängig.
Internetplattformen wie
smarterwork, guru.com oder
eLance bringen potenzielle
Auftraggeber und -nehmer zusammen, wobei keineswegs
nur klassische IT-Dienstleistungen gefragt sind.
Die Projektabwicklung erfolgt online durch Experten
aus aller Welt, die nur einen
Mausklick voneinander entfernt sind, erklärt Oliver Köhler von smarterwork und
bringt noch einmal die Devise
seines Unternehmens ins
Spiel: "Work smart, not hard".
Das Internet ermögliche es,
Projekte zeit- und kostenoptimierend zu vergeben. Für
Freiberufler bedeute es ein
Maximum an "Flexibilität und
Abwechslung".
Das Fehlen eines sozialen
Arbeitsumfeldes und persönlicher Kontakte zu Kollegen
seien jedoch unbestritten
Nachteile der neuen Freiberuflichkeit, meint Steinle weiter, außerdem verstärke dieser
Trend die Leistungsorientierung der modernen Gesellschaft. Homeworker könnten
sich nicht durch Social Skills
profilieren.
Der Trendforscher bringt als
Ausweg "cappuccino
working" ins Gespräch: Dabei
sei man mit einem fixen Gehalt bei einem Unternehmen
angestellt, arbeite aber zusätzlich freiberuflich an Projekten für diverse Auftraggeber. Dies bringe das "Milchhäubchen am Gehaltszettel"
und vereine die Vorteile eines
Angestelltenverhältnisses mit
denen der Intrapreneurship.
Dennoch steht die neue
Freiberuflichkeit für den Versuch, Berufs- und Privatleben
zu einen. Der Trendforscher
Andreas Meinheit formuliert
es so: "Freiberufler sind Lebensabschnittsarbeiter, die
unreglementiert und nur für
sich ihr persönliches Arbeitsglück - und damit auch Lebensglück - organisieren und
leben wollen."
(DER STANDARD, Print-Ausgabe, 27.1.2001)