Wien - Ein "Nationales Aktionsprogramm" zur Erforschung und Vermeidung von BSE und der durch sie hervorgerufenen neuen Variante der Creutzfeldt-Jakob-Erkrankung (nvCJD) könnte in Österreich gestartet werden. Das Konzept wurde den Ministerien für Wissenschaft, Landwirtschaft und Gesundheit vorgeschlagen. Diese wurden ersucht, bis 31. Jänner entsprechende Beschlüsse vorzubereiten und die Finanzierung zu klären - jährlich etwa 15 bis 30 Millionen Schilling. "Die Zuspitzung der BSE-Krise macht sofortige zusätzliche Forschungsanstrengungen erforderlich", erklärt BSE-Experte und EU-Berater Herbert Budka, Vorstand des klinischen Instituts für Neurologie am Wiener AKH, der von Landwirtschaftsminister Wilhelm Molterer mit der Erarbeitung des Konzepts beauftragt wurde. Auch der Wissenschaftliche Lenkungsausschuss der EU habe "als höchste Priorität Forschungen auf dem Gebiet der Überwachung und Diagnostik der Erkrankungen wie auch der experimentellen Übertragung auf nicht wiederkäuende Nutztiere" gefordert - Schweine, Geflügel und Wild. Die Schwerpunkte des Aktionsprogramms sind:
  • Grundlagen- und biomedizinische Forschung. Dabei sollen Natur und Funktion der Erreger (angenommen werden Prionen, es könne aber sein, dass es andere gibt) sowie ihre Infektionswege ergründet werden. Weiters könnten erstmals experimentelle Therapien durchgeführt werden. Etwa die Transplantation von Stammzellen (ähnlich wie bei Leukämiebehandlungen).
  • Überwachung von Creutzfeldt-Jakob-Erkrankungen und möglicher BSE bei Nutztieren und Wild. Dies sei notwenig, da Hirsche und Elche in Nordamerika natürliche Träger einer bisher weitgehend rätselhaften Form einer BSE-ähnlichen Krankheit sind. In Europa fehlten jegliche Daten für Wildtiere, obwohl die EU Überwachungsmaßnahmen, etwa bei Hirschen, gefordert hat. Wild-und auch Gattertiere können mit verseuchtem Futter in Kontakt gekommen sein.
  • Diagnostik und Entseuchung. Die Entwicklung beziehungsweise Verbesserung von Nachweisverfahren von BSE-Erregern im Blut (zur Früherkennung) und im Nervengewebe soll vorangetrieben, eine Möglichkeit zur Prionen-Entseuchung im Blut gefunden werden (wäre für Bluttransfusion und Blutprodukte wichtig).
In Österreich beschäftigen sich derzeit vier Forschergruppen mit der Problematik BSE und Creutzfeldt-Jakob: Budka mit seinem Team, Johannes Pammer und Erwin Tschachler von den Instituten für Pathologie und Dermatologie, Hans Peter Schwarz vom Pharmariesen Baxter, der gemeinsam mit Prionen-Papst Adriano Aguzzi von der Uni-Zürich arbeitet, sowie das steirische Pharmaunternehmen Haemosan. Diese Aktivitäten gehörten gebündelt und koordiniert, so Budka, zusätzlich müsse eine Forschergruppe an der Veterinärmedizinischen Uni errichtet und in den Aktionsplan aufgenommen werden, die sich auch auf heimische Schlachthofbedingungen konzentriert. Ein wissenschaftlicher Ausschuss soll die Steuer- und Kontrollfunktion übernehmen, zur Finanzierung soll ein Fonds geschaffen werden, der auch durch Mittel aus Landwirtschaft, Handel und Industrie gespeist werden könnte. (DER STANDARD, Print-Ausgabe, 27./28.1.2001)