Müncheln/Rendsburg - Aufgebrachte Bauern haben am Samstag in Müncheln (Sachsen-Anhalt) versucht, die geplante Massenschlachtung von 1.000 Tieren einer von BSE betroffenen Herde zu verhindern. Die bisher umfangreichste Tötungsaktion seit dem Nachweis des Rinderwahnsinns in Deutschland sollte am Nachmittag beginnen und mehrere Tage dauern. In Rendsburg (Schleswig-Holstein) demonstrierten mehr als 6.000 Landwirte gegen die Agrarpolitik der Bundesregierung. Die Zahl der bestätigten BSE Fälle stieg unterdessen um drei auf 22 an. In Müncheln machten Bauern und Einwohner bei einer Kundgebung lautstark ihrem Unmut über das "sinnlose Abschlachten" Luft. Für das Töten der gesamten Herde bei einem BSE-Fall gebe es keine wissenschaftliche Begründung, kritisierte Landesbauernpräsident Werner Gutzmer. Nachdem Landwirte mit Traktoren die Zufahrt zu dem betroffenen Agrar-Großbetrieb blockierten, schritt die Polizei ein. Forderung nach mehr Geld Der zunächst für den frühen Nachmittag geplante Abtransport der ersten Tiere verzögerte sich. Die 1.000 Tiere sollten zu einem benachbarten, stillgelegten Schlachthof gebracht, dort mit Injektionen getötet und die Kadaver in einer Tierverwertungsanlage zu Tiermehl verarbeitet werden, das anschließend verbrannt wird. Bei der bisher größten Bauerndemonstration seit Beginn der BSE- Krise in Deutschland forderten Landwirte in Rendsburg ein klares Bekenntnis der Bundesregierung zur Landwirtschaft. Für die Erforschung des Rinderwahns müsse mehr Geld bereitgestellt werden. Der schleswig-holsteinische Bauernverbandspräsident Otto-Dietrich Steensen sprach sich gegen eine einseitige Förderung des ökologischen Landbaus aus. Der Präsident des Deutschen Bauernverbandes, Gerd Sonnleitner, verlangte eine verstärkte finanzielle Unterstützung des Staates und verwies auf die Kosten für Tiermehlverbrennung und BSE-Tests. Er plädierte erneut dafür, zur Marktbereinigung 400.000 ältere Rinder vom Staat aufkaufen zu lassen und zu vernichten. Die Not in den übervollen Ställen werde immer größer. Bereits 22 Fälle von Rinderwahnsinn Unterdessen wurden aus Bayern, Mecklenburg-Vorpommern und Schleswig-Holstein je ein neuer Fall von Rinderwahnsinn gemeldet. Bei dem bayerischen Rind aus dem Oberallgäu war die Krankheit nach Behördenangaben bereits offen ausgebrochen. Mit den neuen Fällen gibt es nun 22 bestätigte BSE-Fälle in Deutschland. Am stärksten betroffen ist nach wie vor Bayern mit neun BSE-Fällen, gefolgt von Schleswig-Holstein (vier), Niedersachsen (drei), Baden-Württemberg (drei), Mecklenburg-Vorpommern (zwei) und Sachsen-Anhalt (ein). In Bayern sollen große Mengen unsterilisiertes Rinderhirn noch bis vor wenigen Monaten zu Fett verarbeitet worden sein. Das inzwischen als BSE-Risikomaterial geltende Rinderhirn sei bis 30. September 2000 genutzt worden, berichtet die "Frankfurter Allgemeine Zeitung" (Samstag) unter Berufung auf ein Papier des bayerischen Landesverbandes der Tiermehlindustrie. Das gewonnene Fett sei in der Lebensmittelindustrie und auch für Milchaustauscher genutzt worden. Milchaustauscher als Futtermittel für Kälber gelten als mögliche Verbreitungswege der Rinderseuche BSE. (APA/dpa)