Bucalemu/Santiago - Zwei Tage nach seiner Anklage wegen Menschenrechtsverbrechen ist der frühere chilenische Diktator Augusto Pinochet unter Hausarrest gestellt worden. Eine Mitarbeiterin von Ermittlungsrichter Juan Guzman Tapia übergab dem 85-Jährigen am Mittwoch (Ortszeit) in seinem Landsitz Los Boldos die Anklageschrift und den Haftbefehl. Soldaten zur Bewachung Pinochets bezogen ihre Posten. Die Anklage macht den Ex-Diktator für die Verbrechen der "Todeskarawane" verantwortlich, bei der ein Sondereinsatzkommandos kurz nach Pinochets Putsch 1973 mehr als 70 Oppositionelle ermordete. Unterdessen forderten Kläger-Anwälte Entschädigungszahlungen für die Hinterbliebenen der Diktatur-Opfer. Unter Pinochets Gewaltherrschaft von 1973 bis 1990 wurden insgesamt 3.000 Menschen ermordet und Zehntausende ins Exil getrieben. Mit der Zustellung des Bescheids wurde der Hausarrest wirksam. Nach Angaben eines Pinochet-Vertrauten weigerte sich Pinochet, das Dokument zu unterzeichnen. Die Weigerung hat jedoch keinen Einfluss auf die Wirksamkeit von Hausarrest und Anklage. Der Ex-Diktator darf nun bis zu einem Prozess seine 120 Kilometer südwestlich von Santiago gelegene Residenz in Bucalemu nicht mehr verlassen. Pinochet stand bereits auf Betreiben der spanischen Justiz 16 Monate in London unter Hausarrest. Die Anwälte des früheren chilenischen Diktators Augusto Pinochet haben Berufung gegen die neuerliche Anklage und die Verhängung des Hausarrests über ihren Mandanten eingelegt. Wie einer der beiden Anwälte am Donnerstag in Santiago mitteilte, seien zwei Anträge eingereicht worden. Darin werde gefordert, dass die Anklage fallen gelassen und der Haftbefehl gegen Pinochet aufgehoben werde. "Es lebe Pinochet, der Befreier Chiles" "Es lebe Pinochet, der Befreier Chiles", lautete das Motto einer Demonstration von rund hundert Pinochet-Anhängern in Los Boldos. "Das ist der traurigste und schmerzhafteste Moment in unserem Leben", sagte der Vorsitzende der Pinochet-Stiftung, Ex-General Luis Cortes Villa. Der Chef der chilenischen Marine, Admiral Jorge Arancibia, warnte vor Unruhen infolge des Haftbefehls. "Wer Wind sät, wird Sturm ernten", sagte er der Zeitung "La Segunda". Anhänger von Pinochet versammelten sich in Santiago derweil vor dem Palast der Streitkräfte und beschimpften Heereschef Ricardo Izurieta wegen dessen Tatenlosigkeit als "Verräter" und "Angsthasen". Pinochet ist angeklagt, Urheber von Entführung und Tötung von 57 der 75 Opfer der "Todeskarawane" zu sein und auch die Entführung von 18 weiteren Opfern angeordnet zu haben, die als vermisst gelten. Der Ermittlungsrichter hatte den Ex-Diktator bereits am 1. Dezember wegen der Menschenrechtsverbrechen angeklagt. Der Oberste Gerichtshof hatte die Anklage jedoch zunächst kassiert, weil der 85-Jährige nicht befragt worden war. Bei einem späteren Verhör stritt der Ex-Diktator eine persönliche Verantwortung für Verbrechen unter seiner Herrschaft ab. Pinochtes Anwälte wollten Berufung gegen die Anklage einlegen. Inzwischen wurden sechs weitere Klagen wegen Menschenrechtsverbrechen gegen Pinochet eingereicht. Insgesamt liegen damit 223 Strafanzeigen gegen den Ex-Diktator vor, wie die Justizbehörden mitteilten. In den neuen Klagen wird Pinochet der Mord von sechs Menschen zur Last gelegt. Sie sollen zwischen September 1973 und August 1976 von Militärs und Geheimdienstagenten verschleppt worden sein. Kläger-Anwälte beantragten bei Ermittlungsrichter Guzman, die Vermögensverhältnisse Pinochets untersuchen zu lassen, um Entschädigungsansprüche stellen zu können. Sollte es tatsächlich zu Entschädigungszahlungen kommen, wäre das Vermögen der gesamten Familie Pinochet betroffen, sagte der Anwalt Juan Pavín. (APA/dpa)