Als der frisch gebackene Finanzminister Karl-Heinz Grasser sein Amt antrat und von einem Fehlbetrag von 109 Milliarden Schilling sprach, dachte niemand daran, dass die Regierung einmal ein Nulldefizit anstreben würde. Damals war ein Streit um Definitionen ausgebrochen. Grasser nannte einfach die Differenz zwischen Ausgaben und Einnahmen, Exfinanzminister Rudolf Edlinger den noch fehlenden Betrag auf das für 2000 geplante Maastricht-Defizit (1,7 Prozent des Bruttoinlandsprodukts) - rund 20 Milliarden. Im Sommer entschloss sich die Regierung, ausgehend von der guten Wirtschaftslage, dem Druck der EU und einem propagandistischen Einfall, die Neuverschuldung des Staates auf Null zu senken, was dem Bund 2002 immer noch ein Defizit von rund 23 Mrd. S erlaubt, weil eben die Länder dies durch Überschüsse egalisieren. Das Ende des Schuldenmachens ist in den Köpfen von Stammtischbesuchern leichter zu verankern, als eine Rückführung auf 0,5 Prozent des BIP, die ursprünglich für 2002 geplant war. Versprechen gebrochen Es wurde versprochen, dass nur jene zur Sanierung herangezogen werden, die monatlich über 30.000 S verdienen. Dieses Versprechen wurde gebrochen, da die ersten nachhaltigen Maßnahmen zur Budgetsanierung in einer Erhöhung der Massensteuern und Gebühren, wie Strom, Tabak, Kfz-Versicherung, Autobahnvignette, Pass, Führerschein, Krankenschein und Rezept, bestanden. Sie machten immerhin so viel aus, dass das unterste Einkommensdrittel, in dem die Bezieher von Einkommen bis zu 30.000 S zu finden sind, mehr verlor, als es durch die Steuerreform 2000 gewonnen hatte, wie der Leiter des Instituts für Wirtschaftsforschung, Helmut Kramer, in einer Untersuchung kürzlich konstatierte. Auch fällt es schwer zu glauben, dass das Paket der sozialen Treffsicherheit - neben dem Steuerpaket, der Pensionsreform und der Reform für öffentliche Verwaltung eine Säule der Budgetsanierung - ausgerechnet nur jene trifft, die als Trittbrettfahrer oder Ruhende in der sozialen Hängematte gebrandmarkt wurden. Ambulanzgebühren, Verlängerung der Wartezeiten für Bezüge und die Reduktion der Wartezeiten in der Arbeitslosenversicherung haben nach allen Expertenbefunden wahllos sozial schwächere Anspruchsberechtigte getroffen. Ebenso wie die Halbierung des Arbeitnehmerabsetzbetrages aus dem Steuerpaket. Wie auch die Ankündigung, dass die Budgetsanierung, ausgenommen die Einmaleffekte der "Steueranpassung", die allerdings als jährlich wiederkehrende Belastung die Brieftasche schmälern, überwiegend ausgabenseitig erfolgt, in das Reich populistischer Fabeln zu verweisen ist. Zwar hat der Finanzminister angegeben, dass 62 Prozent über ausgabenseitige Maßnahmen erfolgen, doch hält die Aussage der Realität nicht stand. Denn hier wurden Einmalmaßnahmen wie die Abschöpfung der Fondsüberschüsse - heuer immerhin 14 Mrd. S - willkürlich der Ausgabenseite zugerechnet. Eine Untersuchung der dauerhaften Konsolidierungsmaßnahmen ergibt ein Verhältnis von 75:25 im laufenden und 60:40 im kommenden Jahr. Positiv - zumindest bei der jüngeren Generation - kann die "Koalition neu" für sich beanspruchen, die Pensionsreform energischer fortzusetzen als dies Rot-Schwarz in ihrem gescheiterten Pakt vorgesehen hatten. Wenngleich bei der Anhebung des Antrittsalters und des Malus bei vorzeitigem Antritt die meisten Experten noch von einem unzureichenden Schritt sprechen und in der nächsten Legislaturperiode einen weiteren erwarten. Auf die Aktivseite buchen darf die Koalition die begonnenen Maßnahmen im öffentlichen Dienst, die den Aufwand jährlich um fünf Mrd. S reduzieren sollen. Festzuhalten ist allerdings, dass vieles als Absichtserklärung papieren ist und die Aufgabenreform noch fehlt. Fazit: Mithilfe der Konjunktur wird die Regierung die Null im Staatshaushalt erreichen können. Die sozialen Kosten der Sanierung sind allerdings weit höher als von der Regierung angegeben. Und die Nachhaltigkeit der Null wird 2003 am Prüfstand stehen, wenn die Klientel vor den Wahlen zufrieden gestellt werden soll. (Michael Hann, DER STANDARD, Print-Ausgabe, 29. 1. 2001)