Wien - Die Schlachthöfe und Fleischverarbeitungsfirmen sind als Folge von BSE und Schweineskandal derzeit so schwach ausgelastet, dass vermehrt auf Kurzarbeit umgestellt werden muss. Resturlaube oder Überstunden seien in Form von Zeitausgleich zum Großteil bereits abgebaut, betonen die Gewerkschaft Agrar-Nahrung-Genuss (ANG) und die Gewerkschaft der Privatangestellten (GPA). Akut seien etwa 2500 bis 3000 Arbeitsplätze gefährdet, was ungefähr einem Fünftel der Beschäftigungszahlen in dieser Branche entspricht.

Am Montag fanden erste Krisengespräche zwischen Fleischwirtschaft und Arbeitsmarktservice (AMS) statt. Bei diesen Verhandlungen sollen die Kriterien festgelegt werden, wonach Betriebe kurzarbeiten dürfen, wobei das AMS Teile des Lohnentganges mit gestaffelten Pauschalsätzen abgilt. Konkrete Ergebnisse wurden noch nicht erzielt, am Mittwoch soll weiterverhandelt werden.

Vor allem große Firmen hätten bereits Interesse an Kurzarbeit angemeldet, sagte Ernest Pollak, der Obmann des Verbandes der Fleischwarenindustrie. Derzeit könne man die schlechte Auftragssituation mit dem Abbau von Resturlaubstagen und Überstunden, die in der Weihnachtszeit angefallen seien, noch einigermaßen kompensieren. "Sollte sich die Lage nicht bessern, nützt allerdings Kurzarbeit auch nichts, dann wären Kündigungen nicht mehr zu verhindern", fürchtet Pollak.

Der Wursterzeuger Wiesbauer konnte nach eigenen Angaben die Umsatzrückgänge zwar durch den Export "abfedern", trotzdem wurden "vorsorglich" 155 der 330 Mitarbeiter zur Kurzarbeit angemeldet, betonte Wiesbauer-Geschäftsführer Karl Schmiedbauer am Montag im Gespräch mit dem STANDARD. Ändere sich das Kaufverhalten nicht, müsste auf AMS-Förderungen zurückgegriffen werden.

Den "Notausgang Abbau von Resturlaub" wählt auch der Tiroler Speck- und Wursterzeuger Handl. "Noch hoffen wir, ohne eine große Zahl von Kündigungen auszukommen", sagte ein Firmensprecher. Sollte sich die derzeitige Situation nicht entschärfen, denke das Unternehmen, das etwa 340 Mitarbeiter beschäftigt, "über die Kündigung von ungefähr zehn Mitarbeitern in der Produktion" nach.

Für die vom Arbeitsplatzverlust bedrohten Mitarbeiter existiere derzeit kein entsprechendes Auffangnetz, kritisieren die Gewerkschaften. Sie fordern, die Auffangstiftung für die Nahrungsmittelindustrie (Aufleb), "durch einen Beschluss des Nationalrates dringend zu aktualisieren". Die Finanzierung könnte über das AMS und durch Zuschüsse aus dem Europäischen Sozialfonds erfolgen. Den maximalen Finanzbedarf beziffern die Gewerkschaften mit 100 bis 150 Millionen Schilling (bis zu elf Millionen Euro).

(DER STANDARD, Print-Ausgabe, 30.1.2001)