Brüssel/Wien - Die Europäische Kommission hat im Bereich der horizontalen Zusammenarbeit von Unternehmen zwei neue Gruppenfreistellungsverordnungen (GVO) und eine Bekanntmachung erlassen.
Horizontale Zusammenarbeit liegt vor, wenn Unternehmen derselben Marktstufe eine Vereinbarung abschließen oder eine Verhaltensweise aufeinander abstimmen. Sofern dadurch Wettbewerbsbeschränkungen bewirkt werden, ist die horizontale Zusammenarbeit grundsätzlich nach EU-Kartellrecht untersagt. Die vorgenannten GVOen schaffen generelle Freistellungen von diesem Verbot.
Mit der neuen GVO betreffend Spezialisierungsvereinbarungen (Nr. 2658/2000 vom 29. 11. 2000) und der betreffend Forschung und Entwicklung (Nr. 2659/2000 vom 29. 11. 2000) werden die beiden alten GVOen von 1984 abgelöst. Die neuen GVOen unterscheiden sich inhaltlich von ihren Vorgängerinnen.
In den alten GVOen wurden jeweils neben den nicht erlaubten auch die zulässigen Vertragsbestimmungen genannt, sodass die betreffenden Unternehmen oftmals gezwungen waren, diese Formulierungen genau zu übernehmen. In einer Studie der Europäischen Kommission wurde festgestellt, dass die Unternehmen dadurch oft zu sehr in ihrer Vertragsgestaltung eingeschränkt wurden.
Die Europäische Kommission verwendet daher in den neuen GVOen (wie schon bei der GVO betreffend vertikale Vertriebsbindung vom 22. Dezember 1999) die Technik, dass sie die freigestellten Vereinbarungen nur generell beschreibt und dadurch eine wesentlich flexiblere Vertragsgestaltung ermöglicht.
Die Freistellung tritt allerdings dann nicht ein, wenn die beteiligten Unternehmen Konkurrenten sind und gemeinsam einen Marktanteil von 20 (Spezialisierung) beziehungsweise 25 Prozent (Forschung und Entwicklung) überschreiten oder gewisse, besonders problematische Wettbewerbsbeschränkungen vereinbart werden.
Die beiden GVOen gelten jeweils ab 1. Jänner 2001 bis zum 31. Dezember 2010.
In Ergänzung zu den beiden vorgenannten GVOen hat die Europäische Kommission Leitlinien zur Anwendbarkeit von Art. 81 EG-Vertrag auf Vereinbarungen über horizontale Zusammenarbeit (2001/C 3/02 vom 6. 1. 2001) herausgegeben. Die Leitlinien betreffen jene horizontale Zusammenarbeit, die von den GVOen nicht erfasst ist. Die Leitlinien stellen generell die Betrachtungsweise der Kommission bei der Beurteilung von koordiniertem Verhalten zwischen Wettbewerbern dar und behandeln im Besonderen Vereinbarungen über Forschung und Entwicklung, Produktionsvereinbarungen (einschließlich Spezialisierungsvereinbarungen), Einkaufsvereinbarungen, Vermarktungsvereinbarungen, Vereinbarungen über Normen und Umweltschutzvereinbarungen.
Auch die Leitlinien verdeutlichen, dass die Kommission nun verstärkt eine wirtschaftliche Betrachtungsweise anwendet. Ziel ist, die Kooperation von Wettbewerbern zu erlauben, wenn das zu wirtschaftlicher Entwicklung beiträgt - sofern der Wettbewerb nicht gefährdet ist.
Österreichische Sicht
Diese neuen EU-Dokumente sind aus Sicht des österreichischen Rechts auch unter dem Aspekt des Verordnungsvorschlages der Europäischen Kommission vom September 2000, wonach EU-Kartellrecht in Zukunft weitgehend durch nationale Behörden angewendet werden soll, von Interesse. In diesem Kontext ist auch die Schaffung der österreichischen Bundeswettbewerbsbehörde von Bedeutung. Die Bundeswettbewerbsbehörde soll unter anderem die vorgenannte Funktion, namentlich die Anwendung von EU-Kartellrecht und die Zusammenarbeit mit der Kommission, sicherstellen. Zu diesem Zweck ist geplant, der Bundeswettbewerbsbehörde einen unabhängigen Status zu verleihen und sie mit umfassenden Ermittlungsbefugnissen zur Untersuchung von Wettbewerbsbeschränkungen und einem Antragsrecht vor dem Kartellgericht auszustatten. Dadurch könnte eine effizientere Anwendung des EU-Kartellrechts in Österreich erzielt werden. Das würde zudem einen weiteren Schritt in Richtung zu einer Gesamtharmonisierung des Kartellrechts in der EU bedeuten. (D
ER
S
TANDARD
, Print-Ausgabe, 30. 1 . 2001)