International
New York nimmt Wiener UNO unter die Lupe
Kontrollorgan wird Management in Wien überprüfen
Vor wenigen Wochen wurde die zuvor nur intern geäußerte Kritik am
Wiener UNO-Chef Pino Arlacchi öffentlich. Jetzt beschäftigt sie bereits New York. Gudrun Harrer
berichtet über den letzten Stand.
Die Nachricht steht in keiner der
vielen UNO-Presseaussendungen:
Am 5. Februar wird ein Team der
New Yorker UNO aus dem "Office of
Internal Oversight Services" (OIOS),
also einem internen UNO-Kontrollorgan, in Wien die Arbeit aufnehmen. Zu prüfen gilt es das Management des Wiener UNO-Chefs Pino
Arlacchi, der als Leiter der UNO-Drogenkontroll- und Verbrechensverhütungsbehörde ODCCP gleich
von mehreren Seiten infrage gestellt
wird: Nicht nur von (Ex-)Mitarbeitern der ODCCP, sondern auch von
den die Behörde finanzierenden
Ländern kommen die vom
Standard
aufgegriffenen Vorwürfe. Auf Anfrage teilte Arlacchi-Sprecher Sandro
Tucci uns mit, dass das OIOS-Team
auf Wunsch von Arlacchi selbst nach
Wien komme.
Die Vorwürfe beziehen sich auf
drei Bereiche (siehe Artikel im Kasten):
auf Arlacchis Personalpolitik, die
Drogenarbeit prinzipiell und Fragen,
die zu einem von Arlacchi initiierten
Projekt in der Drogenkontrollbehörde UNDCP (die 1997 zusammen mit
der Verbrechensverhütungsbehörde
CICP in der ODCCP zusammengefasst wurde) aufgetaucht sind.
Das Schulenburg-Papier
Die Sache ist intern schon länger
am Köcheln, an die Öffentlichkeit
kam es durch ein geleaktes Papier:
In einem elfseitigen Brief an seinen
Exchef tobte sich Michael von der
Schulenburg, vorher Direktor der
Abteilung Operationen und Analyse
und von Arlacchi für diesen Job angeworben, aus: Misswirtschaft, groß
angekündigte Drogenprojekte, die
nie verwirklicht würden, und "Angst
und Einschüchterung" charakterisierten die Behörde.
In einem
Standard
-Interview drehte Arlacchi den Spieß um und beschuldigte Schulenburg: Dessen Vertrag sei nach schweren Verfehlungen
nicht mehr verlängert worden, es
handle sich um einen frustrierten
Exmitarbeiter, der Arlacchi schaden
wolle, ein Einzelfall.
Beides, die verweigerte Vertragsverlängerung und den "Einzelfall",
kann man glauben oder auch nicht:
Schulenburg teilte uns mit, dass er
selbst seinen Vertrag vorzeitig gelöst
habe; in New York beschäftige man
sich bereits mit dem Fall, denn er lasse die üble Nachrede nicht auf sich
sitzen. Auf der Homepage der
italienischen Radikalen Partei
(
www.radicalparty.org
) kann man
nicht nur den ganzen Schulenburg-
Bericht nachlesen, sondern auch einen Brief des EU-Parlamentariers
Maurizio Turco an Kommissionspräsident Romano Prodi über die
Kündigung Schulenburgs. Tucci: Ja,
Schulenburg war informiert darüber,
dass man seinen Vertrag nicht verlängern würde, und "suchte sich einen anderen Job".
"Einzelfall" oder nicht?
Zum "Einzelfall" Schulenburg:
Nachdem der erste Artikel und Arlacchis Antwort im
Standard
erschienen waren, öffnete sich die
Büchse der Pandora. Nicht alle, die
anriefen, um Schulenburg zu unterstützen, wollten auch namentlich
genannt werden. Außer Schulenburg
stehen aber dem
Standard
mittlerweile die früheren UNO-Mitarbeiter
Tony White (Großbritannien) und
Brigitte Döring (Deutschland) mit ihren Namen als Zeugen zur Verfügung, beide stammten aus der Zeit
vor Arlacchi und haben die Behörde
wegen ihm verlassen.
Die Financial Times führt weiters
den französischen Richter Jean-Francois Thony an, der dem Programm gegen die Geldwäsche
vorstand und aus Enttäuschung über
Arlacchi ging. Mit Francisco E.
Thoumi, von Arlacchi mit der Koordination des Weltdrogenberichts
2000 beauftragt, haben wir nicht
selbst gesprochen. Aber uns liegt
sein mehrseitiges Memorandum (26.
September 2000) vor, in dem er mit
Arlacchi abrechnete, als er ging.
Auch bei ihm, wie bei allen Arlacchi-Kritikern, sind die Vorwürfe sowohl
professioneller als auch persönlicher
Natur - auch der Fragebogen, den die
OIOS-Prüfer schon vor ihrem Besuch
in Wien an die Arlacchi-Mitarbeiter
verteilten ließen, beschäftigt sich mit
allen Aspekten der Kritik, auch der
Befindlichkeit der Mitarbeiter.
Arlacchis Amtsantritt in Wien hatte 1997 Anlass zu großen Hoffnungen gegeben. Er gilt als Generalsekretär Kofi Annan nahe stehend, wie
dieser wird er von den USA gestützt.
Arlacchi war Parlamentarier und Senator der italienischen Linksdemokraten und ist als Mafia-Soziologe international anerkannt. Als er aber
zuletzt beim großen Kongress über
Organisiertes Verbrechen in Palermo
im Dezember verkündete, die Mafia
sei tot, rief er Befremden hervor. (DER STANDARD, Print-Ausgabe, 31.1.2001)