Der kostenlose Zugang zum Studium (irreführend meist "freier Zugang" genannt) und das Dienstrecht stehen derzeit im Mittelpunkt der Debatte um die Zukunft der österreichischen Hochschulen. Letzteres wurde in den vergangenen Tage mehrfach im STANDARD thematisiert, ich beschränke mich daher auf ein paar - bewusst provokante - Anmerkungen zu jenem Punkt, der nun sogar zum Anlass für ein Volksbegehren herhalten soll: die Studiengebühren.
Was mich immer wieder überrascht, ist die Härte, man könnte auch sagen: Unverfrorenheit, mit der Österreichs Studentinnen und Studenten ihre bisher gewohnten Privilegien verteidigen, nämlich
1) das Privileg, sich umfangreiche Bildung aneignen zu dürfen - in freier Wahl der Inhalte, der Intensität, und ohne Berücksichtigung eines angemessenen Verhältnisses von Aufwand und Ertrag;
2) das Privileg, anschließend einen Beruf zu haben, der in den meisten Fällen a) ein höheres Lebenseinkommen bringt, b) mehr Selbstbestimmtheit ermöglicht und c) höheres soziales Ansehen genießt als andere Berufe;
3) das Privileg, sich in dieser Zeit nicht oder nur teilweise um den eigenen Lebensunterhalt kümmern oder für jemand anderen sorgen zu müssen;
4) das Privileg, die Kosten für diese Investitionen, deren Ertrag zu einem erheblichen Teil ihnen selbst und damit einer Minderheit zugute kommt, zur Gänze der großen Mehrheit der Steuerzahler aufzubürden.
Im Namen der Gleichheit?
Dass diese Privilegien häufig im Namen der Gleichheit verteidigt werden, erscheint besonders widersinnig: Die Aneignung überdurchschnitt- licher Bildung erfordert ein überdurchschnittliches Maß an Begabung, Interesse und Fleiß, und beides ist innerhalb der Gesamtpopulation eben nicht gleich, sondern höchst ungleich verteilt. Die Unterschiede in den materiellen Voraussetzungen (Einkommen, soziale Herkunft etc.) kann man ausgleichen - zum Beispiel über ein durchdachtes Stipendiensystem -, die Unterschiede in den immateriellen Voraussetzungen hingegen nur in sehr engen Grenzen.
Da hilft es auch wenig, wenn man ständig schwammige Begriffe wie "qualitätsvolle Bildungsvermittlung" und "Erwerb gesellschaftspolitischer Kompetenzen" bemüht, die jeder anders definiert. Ein sehr hübsches Beispiel dafür ist eine Stellungnahme, der das Fakultätskollegium der Geisteswissenschaftlichen Fakultät an der Universität Wien in einer Sitzung im Oktober 2000 einhellig zugestimmt hat.
Darin findet sich - neben vielen anderen Worthülsen - auch folgender Satz: "Zahlreiche Studien belegen, dass es durch die Einführung von Studiengebühren innerhalb von Mehrkindfamilien zu einer Bevorzugung der älteren und männlichen Geschwister kommt." Tatsächlich konnte ich trotz intensiver Recherchen keine einzige dieser Belegstudien auffinden. Ich hoffe ja immer noch, dass ich mich irre, aber wenn es so ist, wie es aussieht, dann beschädigt die Fakultät mit solchen Behauptungen das Ansehen der Wissenschaft im Allgemeinen und das der Universität im Besonderen.
Subjektförderung statt Objektförderung
Doch zurück zum Grundproblem: Im Bereich der Wohnungswirtschaft wird von der empirischen Wirtschaftsforschung seit langem empfohlen, von der Objektförderung auf die Subjektförderung umzusteigen. Erstere führt zwangsläufig zu einer Fehlkalkulation von Mitteln, letztere ist wesentlich treffsicherer in Hinblick auf das gewünschte Ziel: Menschen, die es sich aus eigenen Kräften eigentlich nicht leisten können, sollen mit öffentlicher Unterstützung dennoch ihren dringenden Wohnbedarf decken können.
Die gleichen Überlegungen gelten auch in der Bildungspolitik: Nicht das Studium sollte gefördert werden, sondern die Studenten.
Im Übrigen: Der Andrang junger Leute zu den Universitäten ist ungebrochen, obwohl die materielle Situation der Studierenden angeblich so triste ist.
Niemand kann mir einreden, dass das mit der hehren Liebe zur Wissenschaft zu tun hat. Es lebt sich halt angenehmer in diesem Land, wenn man Akademiker ist . . .
Helmut Jeglitsch ist Mitarbeiter des Wirtschaftsforschungsinsituts (WIFO) in Wien.