Wien - Die Wiener Integrationsstadträtin Renate Brauner (SP) hat am Mittwoch die von Vizebürgermeister Bernhard Görg (VP) geäußerten Vorhaben zur Integrations- und Zuwanderungspolitik als "äußerst widersprüchlich und viel zu wenig durchdacht" bezeichnet. Ablehnend stehe sie vor allem dem Selektionsgedanken gegenüber, erklärte Brauner in einer Aussendung. Görg hatte sich am Dienstag in einer Pressekonferenz dafür ausgesprochen, Zuwanderer nach "unseren eigenen Bedürfnissen zu selektionieren". Ausbildungserfordernisse oder das Alter stünden dabei im Mittelpunkt. Obwohl Görg zu einem humanen und fairen Umgang mit ausländischen Mitbürgern plädiere, gebe es in dem "christlich-sozialen Grundsatzpapier" seiner Partei Ausländer erster und zweiter Klasse, kritisierte Brauner. Menschen, die zuwandern wollen, sollen nach den Kriterien des "ökonomischen Nationalinteresses" ausgewählt werden, so ihr Kommentar. Sichtbare Loyalität Außerdem fordere die ÖVP von den Zuwanderern, das "Verstehen der abendländischen-österreichischen Kultur" und "eine sichtbare Loyalität" einzuhalten. Brauner: "Dies sind politisch völlig undefinierte und missverständliche Begrifflichkeiten. Was heißt sichtbare Loyalität? Wie sieht die abendländisch-österreichische Kultur konkret aus? In der heutigen globalisierten und dynamischen Gesellschaft könne Kultur mit Volkstumslehre oder Geschichtsunterricht kaum effektiv vermittelt werden." Gleichzeitig erinnerte sie die ÖVP an die "enorme Integrationsleistung" in den Schulen und Kindergärten. Sehr heftig widersprach sie der "zumindest unglücklich gewählten" Diktion der Ghettobildung und dem Wunsch nach Durchmischung im Wohnbau: "Nun tappt sogar der Vizebürgermeister in die FPÖ-Falle, die Horrorszenarien zeichnet und alles schlecht macht. Wien hat keine Ghettos. Darauf sind wir stolz." Einige Forderungen längst umgesetzt Investitionen sollen weiterhin zielgerichtet in den Wohngegenden mit schlechter Bausubstanz und sozialen Konfliktpotenzial zukommen, ohne zu berücksichtigen, ob die Bewohner den österreichischen Pass haben oder nicht. Ein Großteil der Forderungen, so betonte Brauner weiter, habe längst im Integrationsprogramm der Stadt eine Umsetzung gefunden. Außerdem freue sie sich über die weitgehende Übereinstimmung in Sachen politischer Partizipation. Zuwanderer sollten auch das Recht haben, dort wo sie Zuhause sind - "nämlich in Wien" - über ihre eigene Zukunft mitzuentscheiden. Wenn nun die Wiener VP Gesprächsbereitschaft signalisiere, sei das positiv zu werten. Laut VP-Strobl betreibt Brauner "Realitätsverweigerung" Mit scharfen Worten reagierte der Wiener VP-Gemeinderat Walter Strobl auf die heutigen Aussagen von Integrationsstadträtin Renate Brauner zum Thema Ausländer und Integration. "Überall auf der Welt ist man bemüht, neben der humanitären Aufgabe, Flüchtlinge aufzunehmen, Einwanderer nach Quoten und nach Qualifikationen aufzunehmen. Das gilt ganz besonders auch für Wien." Es gebe nichts schlimmeres als "arbeitslose Einwanderer", so Strobl. "Wenn Frau Brauner das will, dann frage ich mich, wo da der humanistische Ansatz bleibt", meinte der VP-Mandatar. Ihn mache es außerdem nachdenklich, dass Brauner nicht wisse, was die "abendländische-österreichische Kultur" sei: "Das ist ein Identitätsproblem oder schlichtweg eine populistische Realitätsverweigerung." Man könne nicht auf der einen Seite dem durchaus vernünftigen Ansatz der "Pflege der eigenen Kultur" für Ausländer mit dem Gedanken der Toleranz als selbstverständlich erklären und gleichzeitig die eigene Kultur verleugnen, so Strobl. Brauner hat am Mittwoch in einer Aussendung erklärt, dass der Begriff politisch "völlig undefiniert" und missverständlich sei. Zusatz: "In der heutigen globalisierten und dynamischen Gesellschaft könne Kultur mit Volkstumslehre oder Geschichtsunterricht kaum effektiv vermittelt werden."(APA)