Während Österreich eine der höchsten Sparquoten der EU hat, leiden die heimischen Unternehmen unter einer unterdurchschnittlichen Eigenkapitalquote. Die Mittel der Sparer finden nur sehr spärlich den Weg in die Wirtschaft. Die Folge: Höhere Fremdmittel und eine größere Anfälligkeit für Insolvenzen, wenn die Zeiten schlechter werden. Geld gar für Firmengründungen zu bekommen, ist in Österreich in vielen Fällen schier unmöglich: Wer keine Sicherheiten bieten kann und den Banken nur eine gute Idee präsentiert, geht oft mit leeren Händen nach Hause. In Österreich wäre Bill Gates vermutlich EDV-Leiter von Billa geworden.

Die Börse spiegelt diese Einstellung wider: Sie notiert noch immer auf dem Niveau vom Beginn der 90er-Jahre, während in Deutschland, Frankreich oder den USA die Wertpapiermärkte mehrere Hundert Prozent zulegten. Ergebnis dürftig Finanzminister Karl-Heinz Grasser hat, wie auch schon einige seiner Vorgänger, eine Kapitalmarktoffensive ins Leben gerufen. Das "Kapitalmarkt-Offensive-Gesetz" (KMOG) sollte bessere Rahmenbedingungen bringen. Herausgekommen ist dabei aber bis jetzt - wie auch schon unter Grassers Vorgängern - kaum etwas. Die wichtigsten Punkte waren: Die Abschaffung der Börsenumsatzsteuer, die steuerliche Besserstellung von Aktienoptionsmodellen für Arbeitnehmer, eine neue Steuer auf Fonds und eine Steuererhöhung: Investmentfonds-Sparer müssen seit Jahresbeginn eine Pauschalsteuer von fünf Prozent auf Aktiengewinne abliefern, und die Privatstiftungen sind nunmehr gezwungen, für Vermögen, das eingebracht wird, den doppelten Steuersatz von fünf Prozent abzuliefern. Darüber hinaus müssen Zinserträge und Dividenden beim Eingang zu 12,5 Prozent versteuert werden, weitere 12,5 Prozent bei Ausschüttung. Diese Maßnahmen bringen zwar dem Finanzminister nur wenig in die leeren Kassen - im Falle der Fondssteuer rechnen Experten für heuer mit 200 bis 300 Millionen Schilling - verursachen bei den einhebenden Instituten aber einen hohen administrativen Aufwand und verunsichern die Anleger massiv. Eher das Gegenteil einer Kapitalmarktoffensive, bemerken Banker und Pensionsexperten spitz an. Denn vor allem der privaten Pensionsvorsorge kommt in den nächsten Jahren steigende Bedeutung zu. Fondsmanager rechnen mit einem Abfluss von Anlagegeldern ins Ausland. Auch die Telekom Austria, als "Volksaktie" Teil der Kapitalmarktoffensive, hat schließlich die in sie gesetzte Erwartungen nicht erfüllen können. Anleger, die zu Beginn eingestiegen waren, haben mehr als 30 Prozent verloren. (Michael Moravec, DER STANDARD, Printausgabe 1.2.2001)