Erhard Busek

Mit der für Österreich so typischen sterilen Aufgeregtheit beschäftigt sich das "Old-Boys-and-Girls-Network" des Feuilletons mit der Eröffnungsansprache des Herrn Bundespräsidenten bei den Salzburger Festspielen. Die Kommentare, die Kommentare über die Kommentare, die Zitation der Kommentare der anderen, TV-Stellungnahmen etc. geben eine lückenlose Liste jener gut vernetzten Gruppierung von Kulturjournalisten, Künstlern und Schreibern wieder, die dann noch um einen Bürgermeister bereichert werden, der dem Staatsoperndirektor die Fähigkeit abspricht, nach bestimmten Kriterien in der Lage zu sein, Vorschläge zum Festspieldirektorium machen zu können. Das publizistische Sommerloch fördert diese gespielte Entrüstung, und man könnte zur Tagesordnung übergehen, wenn nicht wieder einmal Beunruhigendes sichtbar wird: eine erschreckende Intoleranz.

Zunächst: Jeder darf eine Meinung haben und sie äußern - auch der Bundespräsident. Mir ist einer lieber, der einen Standpunkt bezieht, als jene Kulturpolitiker, die von "Chefsache" reden, aber mit Wortgeklingel herzlich wenig außer einem PR-Anspruch beibringen. Im Übrigen meinte schon Voltaire, dass er dafür kämpfe, dass einer seine Meinung sagen kann, auch wenn er dagegen sei. Der Zuruf "Si tacuisses . . ." ist zutiefst undemokratisch!

Keine Faschismusnähe

Weiters: Hugo von Hofmannsthal in die Faschismusnähe zu rücken ist geschmacklos und frei von Kenntnis. Hätte er die Nazizeit erlebt, wäre er aus politischen (österreichischen) und rassischen Gründen sehr schnell im KZ gelandet. Reste von gutem Geschmack sind empfohlen! Auf seine Texte zur Gründung der Salzburger Festspiele zu verweisen muss erlaubt sein, denn es ist immer sinnvoll, sich den Ausgangspunkt vor Augen zu halten. Man kann dann sagen, was sich geändert hat, das wäre sinnvoller als den Dichter quasi abschaffen zu wollen, ohne den es diese Art der Festspiele auch heute nicht gäbe. Ein versuchter Vatermord? Aber das Verhältnis zu den Vätern ist ja überhaupt ein Problem in Salzburg: Das Richard-Strauss-Gedenkjahr hat nicht tiefe Spuren im Programm hinterlassen, und Max Reinhardt zählt auch nicht zu den oft Gepflegten . . .

Apropos Faschismuskeule: Vielleicht hat der Bundespräsident auch eine Sehnsucht artikuliert, die in Teilen des zahlenden Publikums auch vertreten ist. Sollte man diese Bürger nicht auch leben lassen, denn Kunst und Kultur können ja kein Monopol einer bestimmten ideologischen Position sein, das wäre ja dann eine Art von Faschismus und Totalitarismus, die jenen hilft, die die demokratische Pluralität nicht lieben. Unter den Kritikern der Rede sind für mich viele "Haider-Macher", die durch die unbarmherzige Rechthaberei die Geschäfte der Populisten besorgen. Les extrêmes se touchent!

Aber man sollte das alles nicht zu ernst nehmen, weil es ein Wehklagen zum langen Abschied ist. Der Abgang der Theatergestalten in Wien und Salzburg zeigt, dass alles seine Endlichkeit hat, und auch die Auffassungsweisen von Kunst und Kultur ihre zeitlich bedingten Unterschiedlichkeiten haben - und das ist gut so. Daher lasse ich die Kritik an der Rede des Bundespräsidenten gelten, weil es vor allem gut ist, dass er sie gehalten hat. Im Übrigen registriere ich mit Interesse, dass in so manchen führenden Medien Europas sakrosankte Regiekonzepte wie etwa Schlachten 1+2 auf der Perner-Insel unbotmäßig kritisiert wurden. Es wird doch nicht plötzlich Vielfalt geben, oder gar einen langen Abschied? Auf jeden Fall: Ein Bundespräsident darf eine Meinung haben wie auch Gerard Mortier - nur dem hat sie bislang niemand verboten . . .

Dr. Erhard Busek leitet das Institut für den Donauraum und Mitteleuropa in Wien.