Wien - Mit zu den wichtigsten Riten im heimischen Kunst-Jahreslauf zählt das Pressegespräch mit Peter Noever, seit genau 15 Jahren Direktor des MAK (Museum für angewandte Kunst) . Zentraler Bestandteil der festgelegten ausdrucksvollen Ordnung ist, dass Bilanz gezogen wird über das abgelaufene und Aussicht geboten wird auf das kommende Jahr. Und lange Zeit diente das Ritual der Ankündigung neuer Auf- und Ausbauarbeiten des Museums. Grundereignisse und Handelnde sind gleich geblieben. Von Ausbauarbeiten kann nicht mehr berichtet werden. Und den weiteren Aufbau eines "Modells der Kulturbildung und -vermittlung" sieht Noever gefährdet. Fahrlässig gefährdet. Für ihn ist ein Museum nach wie vor durch dessen utopischen Charakter bestimmt, dadurch, dass es tatsächlich Nirgendland ist. Ein Raum, frei von unmittelbar zielgerichteten Zugriffen, Einflussnahmen und Aufträgen, ein Raum, in dem "Dissens" stattfinden kann, ohne dass diese Abweichung von der Norm als ordnungswidrig geahndet werden würde. Schwerer noch als das Faktum, dass sein Haus, dessen gesetzlicher Auftrag unter anderem darin besteht zu sammeln, über kein Budget mehr verfügt, diesen Auftrag auch zu erfüllen, wiegt für Noever die Tatsache, dass die Anstalt sich plötzlich zu rechtfertigen hat. Für ihr Dasein. Weil sie jetzt eine ausgegliederte Anstalt ist. Weil sie jetzt mit allen anderen Anstalten konkurrieren muss, auf denen auch Museum oben draufsteht. Und weil der Maßstab für diesen Wettstreit die Quote ist, der Zuspruch der Allgemeinheit. "Museen ohne Zukunft" skizzierte Noever dieses Jahr. Weil er weiß, dass auch sein Haus einer Volksbefragung wie der, die das Projekt eines neuen Operhauses für Linz zu Fall gebracht hat, nicht standhalten würde. Ein "MAK ohne Kompromisse" wolle er auch weiterhin führen, ein Haus der Kunst ohne das Adverb light. Und wenn die Politiker, die sich diese Ausgliederung ohne Differenzierung haben einfallen lassen, meinten, es müsse doch genug Sponsoren dafür geben, ein Museum zu finanzieren, dann lade er sie ein, ihm welche vorzustellen - nachdem er und seine neue Chefkuratorin Daniela Zyman ein Programm erstellt hätten. Der Sponsor als Kurator käme ihm jedenfalls nicht ins Haus. Er ist gegen "das Kunstzentrum als Einkaufszentrum, gegen das Schielen auf Gewinnmaximierung durch rein merkantile Kunstförderung". Das zu verdeutlichen, hat er eine Sammlung von Statements Gleichgesinnter verlegt. Paul Virilio schreibt: "Die künstlerische ,Unterhaltungsindustrie' ist nicht nur ein fatales Zeichen der Rückkehr des Akademismus und der offiziellen Kunst, sondern auch jenes Doppelgängers des uns in unseliger Erinnerung gebliebenen ,sozialistischen Realismus': des ,kapitalistischen Realismus'". Iké Udé ergänzt: "Eine Stadt wie Wien rührt die Fantasie immer noch leidenschaftlich auf. Dieser Aufruhr verdankt sich nicht gesichtslosen Bürgermeistern, verschlagenen Bürokraten, gierigen Bankern oder blutleeren Anwälten. Nicht trotz, wegen der Kunst ist Wien Wien - und kann es nur deswegen sein." (DER STANDARD, Print-Ausgabe, 2. 2. 2001)