Wien - 73 Anzeigen gegen insgesamt 104 Personen (Stichtag 31. Jänner 2001) in der so genannten Schweineaffäre, Dutzende von Zucht- und Mastbetrieben sind gesperrt. Erst am Donnerstag wird wieder ein Betrieb in Oberösterreich geschlossen. Dazu die BSE-Krise: Beinahe täglich werden irgendwo in der EU neue Verdachtsfälle bekannt. Der Fleischmarkt - eingebrochen, das Vertrauen der Konsumenten ist nachhaltig zerstört. Kaum ein Österreicher, der noch bedenkenlos in sein Schnitzel beißt.Vertrauen der Verbraucher wiedergewinnen Mit einer neuen Lebensmittelsicherheitsgentur soll das Vertrauen der Verbraucher nun wiedergewonnen werden. Landwirtschaftsminister Wilhelm Molterer (VP) stellte am Donnerstag im Parlament Befugnisse und Struktur der geplanten Behörde vor. Kontrollieren soll die "Agentur für Ernährungssicherheit - Österreich" zum einen die konkrete Lebensmittelsicherheit. Laut Molterer werden dafür (neben den bereits bestehenden Labors der Bundesländer) zusätzliche Laborkapazitäten geschaffen. Damit soll laut dem Minister eine "lückenlose Sicherheit vom Feld bis zum Handel und vom Stall bis auf die Theke" gewährleistet sein. Lebensmittel-, die Veterinär- und Wirtschaftsgesetze bündeln In einem zweiten Schritt sollen in der Agentur laut dem Minister die Vollzugs- und Kontrollkapazität des Bundes (Landwirtschafts-, Gesundheits- sowie Justizministerium) und der Länder "gebündelt" werden. So könnten das Lebensmittelrecht, die Veterinärgesetze und das Betriebsmittelrecht (unter anderem Futtermittel-, Düngemittel-und Saatgutgesetze) besser kontrolliert werden. Insbesondere mit der Einbeziehung der Länder werde ein effizienter und lückenloser Überblick über die Lebensmittelerzeugung möglich. Kompetenz-Wirrwarr Bisher ist der Konsumentenschutz in Österreich eigentlich Angelegenheit des Gesundheitsministeriums. Im Bereich der Ernährung beginnt er jedoch erst relativ spät, nämlich beim bereits zum Verzehr aufbereiteten Endprodukt. Zwar obliegt dem Landwirtschaftsressort neben Agrarpolitik und landwirtschaftlichem Forschungs-, Versuchs-, Prüfungs- und Kontrollwesen auch das Ernährungswesen - ausgenommen ist dabei allerdings die Nahrungsmittelkontrolle. Konkret bedeutet dies, dass heimische Schweine und Rinder erst dann unter den Konsumentenschutz des Gesundheitsministeriums fallen, wenn sie zu Wurst oder Steaks für den Handel verarbeitet werden. Bis dahin unterliegen die Tiere, von ihrer Aufzucht über Futtermittel bis hin zur Schlachtung, der Verantwortung des Landwirtschaftsministeriums. Lebensmittelagentur im Besitz der Gebietskörperschaften Organisatorisch soll die nun geplante Lebensmittelagentur eine Körperschaft öffentlichen Rechts werden und zu 100 Prozent im Besitz der Gebietskörperschaften stehen. Molterer: "Es wird einen Aufsichtsrat und einen wissenschaftlichen Beirat geben." Gerade an dieser Form gibt es jedoch Kritik: Der Konsumentenschutzsprecher des SP-nahen Pensionistenverbandes, Fritz Koppe, forderte Donnerstag eine Lebensmittelpolizei, die in allen Bundesländern an Produktionsstätten, in Verarbeitungsbetrieben und im Handel unvorbereitet und anonym kontrollieren kann. Seine Begründung: Mit der Installierung der Lebensmittelagentur bestehe die Gefahr, dass weitere Bereiche der Kontrolle, die bisher dem Einfluss des Landwirtschaftsministeriums entzogen waren, dann "an die Agrarier ausgeliefert" werden: "Man darf den Bock nicht zum Gärtner machen." (Christoph Prantner, DER STANDARD, Print-Ausgabe 2. Februar 2001)