Wien - Im Konflikt zwischen Regierung und ÖGB rund um die Neubesetzung des Präsidium des Hauptverbands der Sozialversicherungsträger versucht die Wirtschaftskammer nach beiden Seiten zu kalmieren: Während man den bisherigen Präsidenten des Hauptverbands, Hans Sallmutter, gegen den von der Regierung erhobenen Vorwurf der Reformunwilligkeit (teilweise) in Schutz nimmt, werden Sozialminister Herbert Haupt (F) wegen dessen neu entdecktem Willen zum Dialog mit den Sozialpartnern Rosen gestreut. "Grundsätzlich muss es aber erst um die Konzepte für das Gesundheitswesen und erst dann um die Personen gehen", sagte Wirtschaftskammerpräsident Christoph Leitl am Donnerstag Abend bei einem Hintergrundgespräch vor Journalisten. Leitl ließ erkennen, dass auch die Kammer das Vorgehen der Regierung zu Beginn der Diskussion als Versuch, über Sozialpartner und Selbstverwaltung "d'rüberzufahren" empfunden habe. Mit der Anberaumung eines Gipfelgesprächs in knapp zwei Wochen habe Haupt mittlerweile aber eine "andere Einstellung" dokumentiert. Der Sozialminister habe zwar "nach dem Buchstaben des Gesetzes" das Recht, das Präsidium des Hauptverbandes auszuwählen, nach dem "Geist der Sozialpartnerschaft" sei er aber "nicht gut beraten", ohne Rücksicht auf diese vorzugehen. Wirtschaftskammer-Generalsekretär Reinhold Mitterlehner meinte, Sallmutter sei zwar "nicht eben ein Reformer, er hat vom Gesetzgeber aber auch nicht die Waffen für die Umsetzung von Reformen in die Hand bekommen". Das wirklich zugrunde liegende Problem sei kein individuelles, sondern eine Systemfrage. Proteste nicht kritisiert Kein Wort der Kritik kam von den Kammerchefs an den am Donnerstag abgehaltenen ÖGB-Protestversammlungen. Seltsam sei es, dass es an der Spitze der Sozialversicherungs-Selbstverwaltung eine "Fremdverwaltung" bei der Bestellung der Führung gebe. Dies gehöre geändert. Nicht einverstanden zeigte sich Mitterlehner mit einer gerade diskutierten neuen ASVG-Novelle, die mit der Selbstverwaltung "nicht vereinbar" sei und ein "überbordendes Controlling" durch den Staat vorsähe. "Die einzige Alternative, die es zur Selbstverwaltung gibt, ist ein staatliches Gesundheitssystem wie in England - mit allen seinen Nachteilen", sagte Mitterlehner. Als "Zukunftsvision" könnte sich Leitl allerdings einen Rückzug der "Träger der Selbstverwaltung" aus der operativen Tätigkeit vorstellen. "Qualifizierte Manager" sollten das Tagesgeschäft übernehmen, die Sozialpartner-Funktionäre sollten sich in den Aufsichtsrat zurück ziehen. (APA)