Österreich
Zehn-Punkte-Vorsorge-Katalog: Kritik der Opposition
Kein Bekenntnis zum Bio-Landbau
Wien - Die Suche nach Auswegen aus der derzeitigen Krise rund um Rinder- und Schweinefleisch war am zentrales Thema einer parlamentarischen Enquete zum Thema "Lebensmittelsicherheit in Österreich und Europa".
Landwirtschaftsminister Wilhelm Molterer stellte dabei einen Zehn-Punkte-Katalog vor, der helfen soll, für die Sicherheit und Qualität österreichischer Lebensmittel noch bessere Bedingungen zu schaffen. Kritische Stimmen zu dem Programm, das auch die Einrichtung einer Agentur für Ernährungssicherheit vorsieht, kamen von der Opposition.
Chance wieder "durchzustarten"
Die BSE-Krise und der in Österreich und Bayern aufgedeckte Schweinemastskandal brächten auch die Chance mit sich, wieder "durchzustarten", sagte Gesundheitsminister Herbert Haupt (F). Österreich habe schon in den vergangenen Jahren eine "Schrittmacherrolle" in der EU eingenommen. In der österreichischen Gesetzgebung gelte es auf Grund der Erfahrungen der vergangenen Monate einige Lücken zu schließen.
Kunde hat Angst
Das Zehn-Punkte-Programm Molterers beinhaltet außer der Schaffung einer Lebensmittelagentur sowie Verbesserungen der gesetzlichen Rahmenbedingungen und ein vom Landwirtschaftsministerium erstelltes "Bio-Konzept für Österreich". Besonders wichtig sei die Kooperation und Integration von Produzent, Verarbeiter, Handel und Konsument. In Österreich gebe es bis dato keinen BSE-Fall, aber die selbe Reaktion wie in Ländern mit 177.000 Fällen, so Molterer.
Kritische Stimmen anlässlich der Fleisch-Enquete kamen am Freitag von der Opposition. SPÖ-Konsumentenschutzsprecher Johann Maier bezeichnete den diskutierten Entwurf zu einer Agentur für Ernährungssicherheit als "zahnlose, fast optische Täuschung".
Kein Bekenntnis zum Bio-Landbau
Der Landwirtschaftssprecher der Sozialdemokraten, Heinz Gradwohl, nannte das von Ressortchef Wilhelm Molterer (V) vorgeschlagene Zehn-Punkte-Programm eine "herbe Enttäuschung". Die Umweltsprecherin der Grünen, Eva Glawischnig, vermisste beim Landwirtschaftsminister ein klares Bekenntnis zum Bio-Landbau.
Keine Kompetenzbereinigung vorgesehen
Der Entwurf zu der Agentur sehe überhaupt keine Kompetenzbereinigung vor, sondern belasse die Kompetenzen für Futtermittel weiterhin bei Molterer im Landwirtschaftsministerium, so Maier. Auffallend sei auch die Tatsache, dass der Entwurf vorsehe, dass Molterer sechs von neun Aufsichtsräten bestellen solle. Außerdem seien das Biozid-Gesetz und das Weingesetz nicht im Entwurf enthalten.
Gesundheits- und Produzenteninteressen trennen
Gradwohl verlangte eine "längst überfällige" Änderung in der Landwirtschafts- und Förderungspolitik. Dem Minister warf er vor, die derzeitige Situation total zu verkennen. SPÖ-EU-Abgeordneter Harald Ettl sprach sich bei der Errichtung der Agentur für eine klare Trennung von Gesundheits- und Produzenteninteressen aus und forderte eine Ansiedelung im Gesundheitsministerium. Außerdem sprach er sich für eine "Eingreiftruppe" auf EU-Ebene aus, die ähnlich konstruiert sein solle wie das Europäische Amt für Betrugsbekämpfung.
Für die grüne Umweltsprecherin Eva Glawischnig lässt das Zehn-Punkte-Programm Molterers "eine klare Aussage für den massiven Ausbau des biologischen Landbaus vermissen". Die Grünen sprachen sich erneut für die lückenlose Aufdeckung der Schweine-Affäre und die Klärung der politischen Verantwortung für die Versäumnisse der vergangenen Jahre aus.
Landwirtschaft für ein einheitliches Tiergesundheitsgesetz
Vertreter von Landwirtschaft und Agrarhandel sprachen sich bei der Enquete für strengere Kontrollen und und ein einheitliches Tiergesundheitsgesetz aus. Die notwendigen Maßnahmen zu mehr Sicherheit müssten jedoch von der öffentlichen Hand getragen werden.
Prionenforscher für Ausweitung der Schnelltests
Für eine Ausweitung der Schnelltests bei Notschlachtungen und gefallenen Rindern sprach sich der Wiener Neurologe und Prionenforscher Herbert Budka aus. Die "Risikopopulation" der notgeschlachteten Rinder werde derzeit nur zu einem "winzigen Teil" nach festgesetzten Stichproben untersucht. Gesundheitsminister Haupt verteidigte die Ausmerzung des gesamten Tierbestandes eines Betriebes beim Auftreten eines BSE-Falles als "das Mittel der Wahl". Um den Übertragungskreislauf zu unterbrechen, sei es geboten, den Bestand zu "keulen", an Ort und Stelle Proben zu entnehmen und die Kadaver direkt zur Verbrennung zu transportieren.(APA)