Standard: Warum darf man den Bundespräsidenten eigentlich nicht einfach beleidigen? Welan: Das Amt des Bundespräsidenten - wie immer man dazu stehen mag - gehört zu den Grundelementen der Verfassung. STANDARD: Ein Angriff auf den Amtsträger greift so implizit auch diese an? Welan: Obwohl im Schutzgedanken noch stärker die Tradition des "crimen laesae majestatis" hereinwirkt: unverletzlich, unangreifbar. STANDARD: Dennoch häufen sich Attacken auf den Bundespräsidenten. Welan: Das hat aber auch mit dem Aufbrechen der langen Tabuisierung in der Zweiten Republik zu tun. Bis hin zu Waldheim stand der Bundespräsident immer außerhalb von Tageskritik. STANDARD: Der Rechtsgedanke war wohl nicht primär der Persönlichkeitsschutz, sondern der des Amtes: Ist das der Grund, weshalb eine Klage sinnvoll ist? Welan: Ja, es geht weniger um persönliche Verunglimpfung, sondern der Bundespräsident sagt: "Ich klage für mein Amt", also auch in Hinblick auf Nachfolger. Dahinter stehen alte ethische Rechtsgrundsätze: "Respice finem" und "Sunt denique fines." Es geht um das Aufzeigen von Grenzen. Deshalb hat Kreisky in seinen Amtsfunktionen immer sofort geklagt. (DER STANDARD, Print-Ausgabe, 2.2.2001)