Wien - Der lustige Puck, der die Liebenden foppt, der aber auch die Vetteln zwickt, den Rahm abschöpft, den Bauern in den Most hineinspuckt - Puck also, den man für Oberons neckischen Waldgänger gehalten hat, für einen weitläufigen Verwandten des aus würziger Seeluft gebauten Ariel, ist ein Unbekannter. Doch man kann ihn auch erlösen: aus Spinnweb und Zwergenpanier. Er ist dann unser lieber Bruder Mensch: der liebste, den uns das Josefstadt-Theater seit langem zur symbolischen Umarmung dringlich angedient hat. Puck lebt zwar des Nachts. Er trägt in Janusz Kicas Inszenierung, die den Sommernachstraum als maßvoll erregten Rokoko-Albtraum für die betuchten Stände spielt, als eine residenzfürstliche Wald-und Wiesenbelustigung für Soldatenkönige im Mythenpanzer, einen viel zu eng geknöpften Samtanzug über der rachitischen Luftgeister-Brust - wie einen Seelenverband. Boris Eder legt als Puck den Kopf schief wie die sprichwörtliche Wohlstandsverwahrlosung. Er sammelt Ohrfeigen von seinem Oberon, die für ihn abfallen wie würzig übersüßtes Obst. Er hüpft dem blitzsauberen Gesindel der frisch verliebten Waldgänger, Hermia und Helena, die gerne zanken, deren beiden, sich plusternden Galanen wie ein Begierdesack auf die geschundenen Buckel - die vier sollen sich, nach allerlei keuschen Wehrsport-übungen, zur Abkühlung aufs Moos betten. Doch Puck ist der trostloseste unter allen Gelegenheitsmachern. Er findet für sich selbst keine Zeit. Er spreizt sich eilig auf Bänken, die wie von Zauberhand bewegt vorüberrollen. Man genießt schöne Kulissen, hinter deren Schirm Titania (Petra Morzé) wie ein Pilz aus Kaspar Zwimpfers Bühne hervorschießt. Man ergötzt sich an einem frei schwebenden Balken, an dem ein Vorhang himmelhoch hängt, der sich unter Oberons (Stefan Matouschs) Hieben nicht teilen will: als puffrote Pforte zum Sündenpfuhl. Regisseur Kica hat wenigstens den Puck köstlich durchblutet. Er lässt die Geschichte von dem indischen Knaben, über dessen Besitz sich Titania und Oberon in die Knitterpyjamas zankend geraten, als linde Drohung erzählen: Seht, was mit dem Puck passiert ist! Die Elfenkönige fischen nach Seelen. Aber sie lösen ihren Pagen auch das Fleisch begierig von den kinderweichen Knochen. Sie sind, pardon, Schweine. Womit wir, mit Hinweis auf Matouschs vulgären Morphinisten Oberon, auch schon beim Esel angelangt sind. Die berühmten Handwerker halten Einzug im Wald und in Athen wie ein besonders elendes Blasorchester der süditalienischen Gewerkschaftsbewegung. Alsbald schält sich der Zettel Otto Schenks aus dem trüben Haufen: Malt mit dem zuckenden Spielbein Kringel in die Luft, sprechhustet und schulterruckt, als müsse er Kicas edelstarres Schäferspiel wild schnaubend über den Haufen rennen. Nur kann Zettel über sein alsbaldiges Schicksal als galanter Esel an Titanias moosgrüner Seite noch gar nicht Bescheid wissen. Nehmen wir nur getrost an: Kica hat etwas über den Stachel im Fleisch der Menschen erzählen wollen - wie es sie kitzelt, wenn es sie beißt. Doch irgendwann hat er sich mit den Larven begnügt, sie betastet, und sie fühlten sich wundermild an. Da hängen ihm die Josefstädter ihre abgegriffenen Publikumsgesichter leutselig an. Ein größeres Malheur für ein arg bemühtes Stück Kunstgewerbe. (DER STANDARD, Print-Ausgabe, 3./4. 2. 2001)