Das tschechische Abgeordnetenhaus wird am Freitag einen interimistischen Intendanten des öffentlich-rechtlichen Tschechischen Fernsehens (CT) wählen. Von dem neuen CT-Generaldirektor, dessen Mandat voraussichtlich auf einige Monate beschränkt sein wird, wird die Lösung der seit Dezember andauernden Krise um den Sender erwartet. Der Großteil der CT-Mitarbeiter lehnt die gegenwärtige Leitung weiter ab. Sie sind offiziell seit fünf Wochen im Streik, obwohl sie die Arbeit als solche nicht niedergelegt haben. Die Redakteure werfen dem Management vor, unter Druck gewisser politischer politischen Parteien gewählt worden zu sein. Von den ursprünglich sieben Kandidaten blieben nur sechs über. Die besten Aussichten werden dem bisherigen Chefproduzenten des CT Kulturressorts und Dekan der tschechischen Filmakademie, Karel Kochman, eingeräumt. Dieser wird sowohl von den regierenden Sozialdemokraten (CSSD) von Ministerpräsident Milos Zeman und der oppositionellen christdemokratischen Volkspartei (KDU-CSL) sowie der oppositionellen rechtsliberalen Freiheitsunion (US) unterstützt. Chancen werden auch einem der Vorgänger Kochmans, Jiri Balvin, eingeräumt, der auch von der CSSD favorisiert wird. Balvin steht darüber hinaus in der Gunst der Demokratischen Bürgerpartei(ODS) von Unterhauschef Vaclav Klaus. Dieser besteht darauf, dass der Sieger nicht in den Streit um CT involviert sein soll. Im Spiel bleibt auch der frühere CT-Finanzdirektor Michael Kralert, der von einem CSSD-Abgeordneten vorgeschlagen wurde. Sein Vorteil ist, dass er ein "unbeschriebenes Blatt" ist. Aus den bisherigen Auswahlverfahren für die Chefs der öffentlich-rechtlichen Medien sind in Tschechien schon einige Male "Außenseiter" als Sieger hervorgegangen. Praktisch im Voraus abgeschrieben sind die drei übrigen Kandidaten: der ehemalige Chef eines lokalen Rundfunksenders Vratislav Mechura, weil er von den Kommunisten (KSCM) vorgeschlagen wurde, die amtierende CT-Chefin Vera Valterova sowie die umstrittene CT-Nachrichten-Chefin Jana Bobosikova. Beide Frauen wurden von ODS-Politikern vorgeschlagen. Sie wurden allerdings vom umstrittenen und mittlerweile zurückgetretenen CT-Intendanten Jiri Hodac installiert. Die Wahl des Interimsintendanten wird in zwei Runden erfolgen. Nach der ersten Runde werden die besten zwei Kandidaten noch am selben Tag in die Stichwahl gehen. Die Abstimmung wird geheim stattfinden. Alle Kandidaten sollten sich schon am Dienstag in einer vom CT direkt übertragenen öffentlichen Anhörung im Unterhaus vorstellen. Der interimistische Intendant soll so lange an der CT-Spitze bleiben, bis der neue Aufsichtsrat gewählt ist. Dieser wird danach den ordentlichen Intendanten wählen. Die Wahl des CT-Aufsichtsrates - das alte Gremium wurde abberufen, deshalb wird nun der Interimsintendant ausnahmweise direkt vom Unterhaus gewählt - wird mehrere Wochen dauern, ebenso das Auswahlverfahren für den ordentlichen CT-Generaldirektor. Die Lage um das öffentlich-rechtliche Fernsehen in Tschechien hat sich unterdessen zum Teil beruhigt. Der Protest der Mitarbeiter beschränkt sich mittlerweile auf eine kleine Einblendung in der linken oberen Ecke des Bildschirms: "Stavka" - "Streik". Zudem tragen einige Redakteure noch rote-weiße Maschen, welche die Farben des CT-Logos symbolisieren. (APA)