Tel Aviv - In Israel ist man vor der Direktwahl des Ministerpräsidenten allgemein der Ansicht, dass die den Frieden ablehnenden extremen Palästinenser-Organisationen mit ihrer Intifada wie 1996 Benjamin Netanyahu am Dienstag den jetzigen Likud-Führer Ariel Sharon an die Macht bringen werden. Die Mehrzahl der israelischen Wähler bangt heute um ihre Sicherheit. Sie beschuldigen Ministerpräsident Ehud Barak, so wie sie 1996 Shimon Peres beschuldigten, sie mit seiner Zickzack-Politik und Nachgiebigkeit gegenüber den Palästinensern in eine Lage gebracht zu haben, in der sie um ihre Sicherheit bangen müssen. Es war Palästinenser-Chef Yasser Arafat, der 1993 im Osloer Abkommen bereit war, Israel offiziell anzuerkennen. Es waren die palästinensischen Extremisten, die mit ihren Bombenanschlägen 1996 zum Wahlsieg Netanyahus beitrugen. Auch damals befand sich die Mehrheit der Wähler in einem Angstzustand und suchte einen "starken Mann", der fähig wäre, den Terror energisch zu bekämpfen. Nachdem Netanyahu ihre politischen und wirtschaftlichen Hoffnungen enttäuscht hatte, sahen sie in Barak einen neuen Führer, der ihnen versprach, die israelischen Soldaten aus dem Libanon abzuziehen und mit Syrien einen Frieden zu erreichen. "Mann des Krieges" Bis vor kurzem wurde Sharon, der Architekt der Libanon-Invasion im Jahr 1982, als "Mann des Krieges" gesehen. Aber die zumindest teilweise von Arafat gebilligte Intifada, die Unsicherheit in den Städten und Straßen Israels auslöste, die Kompromissbereitschaft Baraks, um zu einem Frieden mit den Palästinensern zu gelangen, und die Nichteinhaltung seiner Versprechen haben die Mehrheit der Bevölkerung veranlasst, dem "harten" Sharon den Vorzug zu geben. Seit dem Fehlschlag des Gipfels von Camp David im Juli 2000 verlor die Mehrheit der Israelis das Vertrauen in Barak, nachdem seine Kompromisse, insbesondere in der Jerusalem-Frage, von den Palästinensern mit erhöhter Gewalttätigkeit beantwortet wurde. Barak schuf damit ein neues Modell für die Nahost-Verhandlungen: Je mehr Nachgiebigkeit, desto mehr Gewalttaten. Seine verstärkte Kompromissbereitschaft wurde von den Palästinensern als Zeichen der Schwäche gewertet. Er überzeugte mit seinem Rückzug aus dem Libanon unter Feuer die Palästinenser, dass Gewalttätigkeit eher als Verhandlungen Israel auch zu einem Rückzug aus dem Westjordanland und dem Gaza-Streifen zwingen würde. Unter diesen Umständen sucht die Mehrheit der israelischen Bevölkerung wieder einen Regierungschef, der die Sicherheit und Abschreckungskraft Israels wieder herstellen könnte. Sharon weiß, dass die Mehrheit ihn nicht wählen wird, wenn er wie bisher eine Erweiterung der israelischen Besiedlung des Westjordanlandes propagiert. Daher konzentrierte er sich in seinem Wahlkampf auf die Beibehaltung der israelischen Kontrolle in einem ungeteilten Jerusalem und im Jordantal. Die Mehrheit der israelischen Wähler ist davon überzeugt, dass Sharon keinen "Terrorstaat" in geringer Entfernung der israelischen Bevölkerungszentren dulden wird. (APA)