Wien - Venedig ist heute nur noch ein anachronistisches Fantasiebild seiner selbst; früher jedoch spielten Buffo-Opern des Spätbarock gern in diesem Ambiente. Damit der Besucher sich gleich zurechtfand, hatte die von Martin Haselböck geleitete Wiener Akademie nicht nur ihre historischen Instrumente mitgebracht, sondern es haben sich alle Musiker ein Pierrot-Kostüm an- und ihre Schuhe ausgezogen. Mit einer packenden Ouvertüre rissen sie das Publikum mitten in den hochfeudalen Streifen um Kaufmann Pancrazio und seine Kompagnons Lindoro und Gazzetta, von denen einer Contessina, die Tochter des Baccellone, zu ehelichen gedachte. Dass es ein fast aristokratisches Happyend gab, ist dem handfesten Eingreifen des Buffo-Paares zu verdanken. Das als "dramma giocoso per musica" bezeichnete dreiaktige Werk von Florian Leopold Gassmann nimmt Mozartsche Bühnendramatik vorweg: Der 1729 im böhmischen Brüx geborene Komponist war nicht umsonst bei Padre Martini in Italien: Gleich am Ende des ersten Aktes liefert er ein temperamentvolles Kettenfinale, später legt er mit bittersüßer Heiterkeit à la Cosí fan tutte oder mit einer anrührenden Vergebensszene wie im Figaro nach. Die muntere Personenführung besorgte Hans Gratzer, die Choreographie Alonso Barros. Adriné Simonian als Contessina, Doerthe M. Sandmann als Vespina, Michael Gehrke als Lindoro, Christian Hilz als Pancrazio, Helmut Wildhaber als Gazzetta sowie Johann Leutgeb als Baccellone, der für einen erkrankten Kollegen einsprang, ziehen alle Register zwischen französischen Trillern, akrobatischen Sprüngen und tragischen Seufzern. Dass die Spannung - über drei Stunden ohne Rückenlehne - anhält, liegt zum einen an den peppigen Kostümen von Andrea Uhmann, am entschlackten, funktionellen Bühnenbild des Hauses (die Opernausstattung kostete nicht mehr als eine Sprechtheaterproduktion), aber auch an der frechen Übersetzung der Rezitative aus den Federn Gratzer/Haselböck. Der Applaus zeigte Glück und Genugtuung. Ein Blindekuh-Spiel von Heiratslustigen? Keinesfalls, zu deutlich blinzelnd haben die Künstler gezeigt, wie sie das Endglück aus dem Zylinderhut ihrer musikalischen Schaustellerei hervorgezaubert haben. (DER STANDARD, Print-Ausgabe, 5. 2. 2001)