Als indirekte Folge des grassierenden Rinderwahnsinns sollen nun Hunderttausende Rindviecher geschlachtet werden. Nicht, weil sie sich angesteckt haben, sondern weil sie unverkäuflich geworden sind. Der Markt will es so.

Gibt es zu viele Rinder und zu wenige, die sie essen wollen, dann verfallen die Preise. Also vernichten wir einen Teil der Rinder, dann passen Angebot und Nachfrage wieder zusammen. Ganz einfach, die Rechnung. Rinder zählen nicht als Lebewesen, sondern als Marktgröße.

Ich bin davon überzeugt, dass Märkte besser sind als Dirigismus. Ich bin auch keine Vegetarierin. Mehr den je bin ich aber davon überzeugt, dass Märkte Rahmenbedingungen brauchen. Nicht die Gewinnmaximierung hat dabei im Mittelpunkt zu stehen, sondern die Menschen und der intelligente Umgang mit der Natur als unser aller Lebensgrundlage. Nur so können Perversionen wie die Vernichtung von Hunderttausenden gesunden Rindern verhindert werden. Nur so kann auch die Börsenregel durchbrochen werden, nach der Massenentlassungen regelmäßig zu Kursanstiegen führen.

Man sei ohnehin dafür, dass sich die Landwirtschaft "in Richtung Ökologisierung" bewege, dröhnt es dieser Tage im Chor von Landwirtschaftsminister, Landwirtschaftskommissar sowie diversen Vertretern agrarindustrieller Interessen. "In Richtung Ökologisierung" klingt schick, sagt aber nichts aus. Verschleiert wird damit ein System, das lediglich ökologische Nischen zulässt, insgesamt aber alles andere als naturnah ist.

Schweine wurden seit Jahren mit Wachstumshormonen und Antibiotika vollgestopft. Anders, so sagen Bauernvertreter unter der Hand, wäre die Schweinezucht längst unrentabel geworden. Die Supermarktketten drücken auf die Preise, die Konsument/innen wollen billig einkaufen, also müssen eben noch mehr Schweine auf noch engerem Raum zusammengepfercht werden, also müssen sie eben noch schneller wachsen. Schuld an dem System haben immer die anderen. Man selbst habe bloß notgedrungen auf den Kreislauf des Marktes reagiert.

Zynische Politik

Und jetzt dieser Kreislaufkollaps. Doch statt die Ursachen zu erkennen und zu behandeln, sollen bloß Symptome beseitigt werden. Da trifft es ein paar Hunderttausend Rinder, dort ein paar Betriebe.

Die Massenvernichtung von Rindern wird zu einer weiteren so genannten "Strukturbereinigung" in der Landwirtschaft führen: Kleine Rinderbauern werden sich die Entschädigung auszahlen lassen und keine neuen Kälber mehr kaufen. Große, industriell wirtschaftende Rinderbauern werden weitermachen. Von der konsequenten Flächenbindung, also von der Verpflichtung, pro Tier eine ausreichende Fläche an Weide-und Futterland im eigenen Betrieb zur Verfügung zu stellen, keine Spur. Von einem Förderungsstop für die Tierindustrie ebenso wenig. Und schon gar nicht ist man bereit, die Konsumenten darüber aufzuklären, dass Billigstangebote oft nicht nur minderwertige Qualität bedeuten, sondern auch Auswirkungen auf unsere Umwelt haben.

Wer bezahlt denn die entstandenen Schäden? Wir alle, egal, ob es um die Entschädigungen fürs Vernichten von Rindern oder ob es um verschmutztes Grundwasser geht. Wer bezahlt für ein zynisches System, das Lebewesen zu Rechengrößen degradiert hat? Wir Rechengrößen, wir.

Dafür werden gerade Bio-Betriebe mit einer Flut an Bürokratismen überschwemmt. Schritt für Schritt hat man es durch absurde Hygieneauflagen unmöglich gemacht, dass Betreiber/innen von Kleinlandwirtschaften daheim schlachten und verkaufen können. In Zeiten der Globalisierung der Marktwirtschaft denkt man eben in großen Zusammenhängen. Vor allem wenn es um die Preise geht, um Angebot und Nachfrage und kurzfristige Profite.

Für mehr reicht es offenbar auch hier nicht. Denn: Da gibt es doch Menschen, die sich - nicht zuletzt als Folge zynischer Marktpolitik - nur selten satt essen können. Da gibt es Kinder, die verhungern, auch wenn gerade keine Medienkampagne läuft. Warum schickt man nicht ihnen das Fleisch der überschüssigen Rinder? Kühlanlagen und Konservenfabriken sind längst erfunden. Und auch die Vernichtung der Tiere kostet eine Menge.

Kranke Logik

Ach so, der Weltmarktpreis. Wenn du etwas gratis gibst, dann hat das Auswirkungen. Der Preis könnte nach unten gehen. Aber wenn es sich um Menschen handelt, die sich ohnehin kein Fleisch leisten können? Die daher bisher in das Marktkarussell gar nicht eingegriffen haben? Schon, aber wer sagt denn, dass Märkte logisch reagieren?

Eben. Und das müssen wir alle so lange ausbaden, bis sich herumgesprochen hat, dass die so genannte "freie Marktwirtschaft" viele ausschließt, viele verdrängt, viele einengt, vielen vieles kostet und nur wenigen nutzt. Auch global.

Eva Rossmann ist Autorin und Publizistin in Wien.