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Moskau/Wien - "Es hat nicht jeder Fleisch gegessen, der in den Zähnen stochert." Nach diesem alten russischen Sprichwort beobachtet Moskau Österreichs fortschreitendes Abgehen von der Neutralität offenbar mit wachsendem Misstrauen. Und auch wenn die österreichische Regierung derzeit einen Beitritt zur NATO als nicht aktuell bezeichnet, ist man in Moskau wachsam. Wenige Tage vor dem Besuch von Präsident Wladimir Putin in Österreich erinnerte der russische Botschafter in Wien, Alexander Golowin, daran, dass für Russland die Neutralität Österreichs immerwährenden Charakter habe: "Daher betrachten wir Österreich weiterhin als neutralen Staat. Die Russische Föderation hat Interesse daran, dass es so bleibt." Österreich sei mit dem Staatsvertrag, dem Neutralitätsgesetz und dem Moskauer Memorandum völkerrechtliche Verpflichtungen eingegangen. "Jetzt läuft die Diskussion aber so, als ob es nur der Republik Österreich alleine obliegt, sich frei davon zu erklären oder nicht." Diese Vorgangsweise könne "als Versuch interpretiert werden, die völkerrechtlichen Verpflichtungen durch Schaffung von neuen Tatsachen zu umgehen." Schon 1989 Bedenken wegen Verlustes der Neutralität Die Äußerung Golowins war die schärfste Wortmeldung Moskaus zur österreichischen Neutralität seit langem. In den Jahren seit dem Niedergang und Ende der Sowjetunion stand das kleine Österreich auf der Prioritätenliste der russischen Außenpolitik wohl ganz unten. Zu den Bemühungen Österreichs um einen Beitritt zur Europäischen Gemeinschaft (EG, heute EU) machte das Moskauer Außenministerium im Juli 1989 zwar in einem Aide-memoire Bedenken wegen eines möglichen "Verlustes der Neutralität" geltend. Im Oktober 1989 betonte aber der damalige Staatspräsident Michail Gorbatschow, jedes Land habe das Recht, jeder Organisation beizutreten. Es war das Jahr, in dem sich Osteuropa vom Kommunismus befreite und der sowjetische Herrschaftsbereich in Europa zusammenbrach. Gorbatschow wiederholte im September 1991 bei einem Besuch des damaligen Bundeskanzlers Franz Vranitzky, dass Österreich alleine und souverän über den Beitritt zur EG entscheide. Die vorher geäußerten Bedenken über einen angeblichen "NATO-Beitritt durch die Hintertür" waren kein Thema mehr. Wieder half Wien das politische Umfeld: Wenige Wochen zuvor hatte Gorbatschow Putschversuch hinnehmen müssen, Österreich war damals wohl nicht gerade seine größte Sorge. 1995: Eine Angelegenheit Österreichs In den ersten Jahren nach der Auflösung der Sowjetunion entspann sich zwischen Wien und Moskau eine Diskussion um die Frage der Rechtsnachfolge. Österreich wollte Russland zunächst nicht ohne weiteres als Nachfolgestaat sehen. Moskauer Vorstöße für einen Grundlagenvertrag mit einer neuerlichen Festschreibung der Neutralität wies Wien so lange ab, bis Russland verzichtet. Bei einem Besuch von Vizeaußenminister Sergej Krylow kam es im Oktober 1995 zu einer Einigung über die Anerkennung Russlands als Rechtsnachfolger der Sowjetunion. Umgekehrt sagte Krylow in bisher nicht dagewesener Deutlichkeit, dass Österreich auch über die Zukunft seiner Neutralität allein entscheide: "Die Neutralität ist eine innere Angelegenheit Österreichs", sagte er damals. Im Zuge der Debatte um die NATO-Osterweiterung kam 1996 auch die Haltung Moskaus zu österreichischen Beitrittsüberlegungen auf die Tagesordnung. Der damalige russische Außenminister Jewgeni Primakow sagte im September 1996 in Wien, Moskau würde sich einen NATO-Beitritt Österreichs "nicht wünschen". Die Neutralität sei aber "von Österreich selbst gewählt" worden, die Entscheidung über ihre Aufgabe und einen Beitritt zu einem Bündnis wie der NATO liege daher "letztlich allein bei Österreich". Russische Militärs sehen keine Notwendigkeit zur Aufgabe der Neutralität In die innenpolitische Debatte und den Streit zwischen den damaligen Koalitionspartnern SPÖ und ÖVP um den Optionenbericht mischte sich Moskau nicht ein. Bei verschiedenen offiziellen Anlässen wurde allerdings auch in den letzten Jahren immer wieder die "hohe Wertschätzung" Russlands für die österreichische Neutralität unterstrichen. Unter Hinweis darauf, dass Österreich heute keiner Bedrohung ausgesetzt sei, meinten auch hochrangige russische Militärs, dass sie keine Notwendigkeit für eine Aufgabe der Neutralität oder gar einen NATO-Beitritt Österreichs sähen. (APA)