Wien - Schlicht "eine Katastrophe" sind für Bezirksvorsteher Karl Lacina die WC-Anlagen und die Müllsammelstelle auf dem Hannovermarkt in der Brigittenau. Auch die Gesamtbefindlichkeit des mit 3012 Quadratmeter Verkaufsfläche immerhin zweitgrößten Marktes in Wien kann er nicht viel optimistischer einschätzen: 20 der insgesamt 94 Stände stehen leer.

Deswegen wird, geht es nach dem Willen der Bezirksvertretung, der Markt bis 2005 etappenweise verkleinert und so das "Kaufkraftpotenzial auf weniger Betriebe aufgeteilt" werden. "Die 45 bis 60 verbleibenden Stände sollen attraktiver werden", erklärt der Bezirksvorsteher. Gelder dafür verspricht er sich aus Mitteln der EU-Ziel-II-Förderung, für die Teile der Brigittenau und der Leopoldstadt 1999 auserkoren wurden (DER STANDARD berichtete). Allein, die Kommission in Brüssel hat bisher noch nicht einmal den allgemeinen Programmteil genehmigt. Dies ist laut Heinrich Weber von der für EU-Förderungen zuständigen Magistratsdirektion aber die Vorraussetzung für die Auswahl konkreter Projekte.

"Sozialer Mittelpunkt"

Karl Lacina ist trotzdem optimistisch: Auch durch den Verkauf von "nicht mehr benötigten Marktflächen für ein kleines Bürohaus" könnten Gelder lukriert werden. Dies ist nur ein Punkt der Bezirkspläne, an dem sich die "Bürgerinitiative Brigittenau" stößt. Sie plädiert für den Erhalt des Marktes "als Nahversorger und sozialen Mittelpunkt unseres Grätzels".

Dem Argument der Bezirksvorstehung von der "sinkenden Bedeutung der Märkte" hält sie eine IFES-Studie entgegen: "Eine große Mehrheit von 77 Prozent der Wiener Bevölkerung legt auf eine gute Versorgung durch Märkte Wert, jeder Dritte geht einmal pro Woche auf einen Markt", erklärt Karl Schall. Er versteht nicht, warum "bestehende Infrastruktur zerstört werden soll". Dass der Hannovermarkt attraktiver werden könnte, glaubt auch er - "aber sicher nicht, indem er bis zur Unkenntlichkeit verkleinert und seiner Atmosphäre beraubt wird".

Verbesserungsmöglichkeiten sieht die Bürgerinitiative im Kleinen. "Zum Beispiel die Errichtung eines direkten Aufgangs von der bestehenden Tiefgarage zum Markt", meint Schall. Die sei zwar diskutiert, aber nie realisiert worden.

Die Pläne der Bezirksvertretung sehen anders aus: Nach einer wirtschaftlichen Überprüfung der Verkleinerung durch den Wirtschaftsförderungsfonds und einem städtebaulichen Gutachterverfahren sollen der Bevölkerung noch vor dem Sommer die Pläne für den neuen Hannovermarkt präsentiert werden. Für Karl Schall ist dies eine "Alibiaktion", denn "dann ist sowieso schon alles entschieden".

(Tanja Paar, DER STANDARD, Print-Ausgabe, 6. 2. 2001)