Karlsruhe/Wien - Eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts kann in Deutschland von nun an vor Gericht als solche klagen und verklagt werden. Für Gesellschafter, Gläubiger und nicht zuletzt für Anwälte bedeutet das eine große Erleichterung im Rechtsverkehr. Diese Entscheidung des Zweiten Zivilsenats des Bundesgerichtshofs (BGH) in Karlsruhe ist ein Grundsatzurteil von großer praktischer Bedeutung - wenn auch vorerst freilich nur in Deutschland. Mit seinem Urteil (II ZR 331/ 00, 29. 1. 2001) hat der BGH vergangene Woche eine kleine Revolution im deutschen Gesellschaftsrecht ausgelöst: Er erklärte die Gesellschaft bürgerlichen Rechts (BGB-Gesellschaft, in Deutschland auch "GbR", in Österreich "GesbR" abgekürzt) für rechtsfähig und parteifähig. Voraussetzung ist, dass die GbR als Teilnehmerin am Rechtsverkehr eigene (vertragliche) Rechte und Pflichten begründet. Damit ist eine besonders beliebte Form der Zusammenarbeit von Unternehmen und vor allem von Einzelpersonen - im kleingewerblichen Bereich oder zum Beispiel in Anwaltssozietäten, Praxisgemeinschaften und Jagdgesellschaften - rechtlich um einiges "handlicher" geworden. Dem Urteil liegt der Fall eines Unternehmens zugrunde, das eine Arbeitsgemeinschaft (ARGE) für Bauleistungen, in der mehrere Firmen in Form der Gesellschaft bürgerlichen Rechts kooperierten, gerichtlich in Anspruch nehmen wollte - und zwar auf Zahlung einer im Namen der ARGE-Gesellschaft begründeten Wechselverbindlichkeit. Die Gläubigerin verklagte zum einen - wie üblich - die Gesellschafter einzeln, zum anderen auch die ARGE selbst. Gemäß der bislang herrschenden Meinung und der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs wies die Vorinstanz die Klage aber insoweit als unzulässig ab - mangels Parteifähigkeit der ARGE. Der BGH hob diese Entscheidung auf und korrigierte damit zugleich seine eigene Haltung in einer Frage, die schon seit der Normierung der Gesellschaft im Bürgerlichen Gesetzbuch umstritten war. Bislang galt nämlich in Deutschland das Gleiche wie in Österreich: Im Zivilprozess haben mangels Parteifähigkeit der GbR grundsätzlich die Gesellschafter selbst einzuschreiten. Eine Klage von der oder gegen die Gesellschaft als solche ist unzulässig - so die ständige Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs (siehe zuletzt Beschluss 4 Ob 13/99m vom 2. 4. 1999). Komplizierte Praxis In der Praxis erschwert dies die Rechtsverfolgung erheblich. Möchte nämlich ein Gläubiger einen Titel erwirken, um in das Gesellschaftsvermögen vollstrecken zu können, muss er gegen sämtliche Gesellschafter einzeln vorgehen (im Prozess sind diese dann als so genannte Streitgenossen verbunden). Sowohl im Klage- als auch im Vollstreckungsverfahren behindert dies die Rechtsverfolgung vor allem dann, wenn die genaue Zusammensetzung der GbR unbekannt oder umstritten ist - so im Falle von Publikumsgesellschaften, die viele Mitglieder haben und deren Mitgliederbestand sich laufend verändert. Der BGH hält von nun an die BGB-Gesellschaft als solche für rechts- und parteifähig, "wenn die Gesellschaft selber und nicht ihre einzelnen Gesellschafter als Träger der in ihrem Namen begründeten Rechte und Pflichten anzusehen ist". Damit schließen sich die Richter den Vertretern der Rechtslehre an, die aus der besonderen Verbindung der Gesellschafter nicht nur eine so genannte Gesamthand entstehen sehen, sondern diese Gesamthand auch als eigenes Rechtssubjekt qualifizieren. Damit ist das Dogma, wonach Rechtssubjektivität nur natürlichen und juristischen Personen zusteht, gebrochen. Wenn Gläubiger einer BGB-Gesellschaft aber ganz auf Nummer sicher gehen wollen, müssen sie auch in Zukunft die einzelnen Gesellschafter vor Gericht ziehen. In deren Privatvermögen kann nämlich nur vollstreckt werden, wenn gegen sie selbst jeweils ein Titel erwirkt wurde. Dazu stellt der BGH in seiner Entscheidung klar, dass die GbR-Gesellschafter für die vertraglichen Verbindlichkeiten der Gesellschaft in ihrem jeweiligen Bestand haften, die während ihrer Gesellschaftszugehörigkeit begründet wurden. Das schließt dann zum Beispiel auch anfallende Verzugszinsen ein. (Jörg Wojahn, Der Standard, Printausgabe, 06.02.2001)