Wien - Die Europäische Zentralbank sollte rasch mit Zinssenkungen reagieren, falls sich die ungünstigen Signale aus Nordamerika weiter verstärken. Dies fordern europäische Wirtschaftsforschungsinstitute, die in der internationalen Gruppe Euroframe zusammengefasst sind, in einer vom Europäischen Parlament beauftragten Konjunkturprognose für 2001 und 2002. Es sei schon enttäuschend gewesen, dass die EZB sich nicht schon am vergangenen Donnerstag zu einer Zinssenkung aufgerafft habe, sagte Markus Marterbauer, der als Konjunkturexperte des Wirtschaftsforschungsinstituts (Wifo) an der Euroframe-Prognose mitwirkte, zum STANDARD. Der Inflationstrend im Euroland weise eindeutig nach unten, eine Gefahr für die Geldwertstabilität sei nicht in Sicht. Vielmehr würde hingegen die Gefahr einer Rezession in den USA immer realer. Die Prognose basiere noch auf Daten von Anfang Jänner, so Marterbauer, und gehe noch von einer sanften Landung der US-Konjunktur aus. Seither hätte sich die Lage in den USA noch deutlich verschlechtert. Ein Schrumpfen der US-Wirtschaft im heurigen ersten Quartal sei gewiss, im Jahresverlauf sei eine Wachstumsrate von eher unter zwei Prozent zu erwarten. Dies habe auch deutlich bremsende Auswirkungen auf die europäische Wirtschaft. Die EZB sollte daher nun rasch und kräftig mit Zinssenkungen auf die drohende Wachstumsabflachung reagieren. Revision für Österreich Die Wachstumsabschwächung veranlasst das Wifo in der Euroframe-Prognose auch, seine Wachstumserwartungen für Österreich leicht zurückzunehmen. Für 2001 geht das Wifo jetzt von einem realen Zuwachs des Bruttoinlandsprodukts (BIP) von 2,4 statt 2,6 Prozent und für 2002 von 2,7 statt 2,8 Prozent aus. Zusammen mit Deutschland, Italien und Dänemark sei Österreich damit in der EU ein Wachstumsnachzügler, weist aber einen Aufwärtstrend auf (vgl. Tabelle). Aufgrund der eingetrübten Wachstumsannahmen geht das Wifo nun auch davon aus, dass das von der Bundesregierung angepeilte gesamtstaatliche Nulldefizit 2002 (auf Basis der bisher beschlossenen Maßnahmen) knapp verfehlt und eine Neuverschuldensquote von 0,2 Prozent des BIP erreicht wird. Insgesamt rechnen die Euroframe-Experten aber mit einem "Gelingen der Budgetkonsolidierung" in Österreich. Für den Euro rechnen die Experten mit einer weiteren Aufwertung gegenüber dem Dollar. Ende 2002 könnte eine Relation von 1,05 Dollar je Euro erreicht sein. Für den gesamten EU-Raum geht die Prognose von einem Wachstumsrückgang von real 3,3 Prozent im Jahr 2000 auf 2,8 bzw. 2,7 Prozent in den beiden Jahren bis 2002 aus. Die Euroframe-Prognosewerte liegen damit um 0,4 Prozentpunkte unter den Erwartungen der Herbstprognose der EU-Kommission. Dennoch bleibe das Wachstum stark genug für positive Impulse auf dem Arbeitsmarkt. 2002 könnte die Arbeitslosenquote EU-weit auf 7,7 Prozent sinken, nach 7,9 Prozent im Jahr 2001. (jost, DER STANDARD, Printausgabe 7.2.2001)