Etat
Journalistenstreik bei "France Soir"
Protest gegen neuen italienischen Inhaber "Poligrafici Editoriale"
Die französische Tageszeitung "France Soir", die vor einem Monat von der italienischen Pressegruppe
"Poligrafici Editoriale" übernommen worden war, ist am Mittwoch auf Grund eines Journalistenstreiks nicht erschienen. Die Redaktion will durch die Arbeitsniederlegung eigenen Angaben zu Folge ihrer Besorgnis über die wirtschaftliche Lage des Blattes und über die "unklaren Projekte" der neuen Inhaber Ausdruck verleihen. Protestiert wird insbesondere gegen eine Verspätung bei gewissen Gehaltszahlungen im Jänner.
Das mit dem vorhergehenden Eigentümer Georges Ghosn vereinbarte 14. Monatsgehalt sei von der italienischen Gesellschaft abgelehnt worden, hieß es von Seiten der Journalistengewerkschaften. Die Gewerkschaften bedauerten in einer gemeinsamen Aussendung eine "Blockade des sozialen Dialogs".
Die Journalisten werfen den neuen Eigentümern auch eine starke Einflussnahme auf die Redaktionslinie vor. Den neuen italienischen Leitern der Publikation, Geschäftsführer Gianluigi Poggi und Chefredakteur Giovanni Serafini, wird eine "schlechte Kenntnis der französischen Medienwelt" vorgeworfen. Andrea Riffeser-Monti, Geschäftsführer der Holding-Gesellschft Monrif (Eigentümer von "Poligrafici Editoriale") treffe die Entscheidungen über die Zukunft des Blattes von Mailand aus, meinten einige Journalisten. Drei Ressortleiter und der Redaktionsleiter Jean-Marc Gonin haben "France Soir" aus Protest gegen die neuen Inhaber bereits verlassen.
Bei der Übernahme hatte Riffeser-Monti eine inhaltliche und äußere Neugestaltung des Boulevardblattes in Aussicht gestellt, das in den 60er Jahren mit einer täglichen Auflage von mehr als einer Million Exemplaren erschen und nunmehr nicht ganz 90.000 Exemplare pro Tag verkauft. Riffeser - dessen Mediengruppe in Italien "La Nazione" (Florenz), "Il Resto del Carlino" (Bologna) und "Il Giorno" (Mailand) besitzt - hatte auch die Gründung einer neuen Pariser Lokalzeitung angekündigt. Aus dem Projekt soll nunmehr eine lokale Beilage werden, kündigte Riffeser vorige Woche an.
Der französische Geschäftsmann Georges Ghosn hatte "France Soir" im März 1999 mittels der Verlagsgesellschaft Presse Alliance von der Mediengruppe Hersant - unter anderem Verleger des konservativen "Le Figaro" - übernommen. Seit der Übernahme hat Ghosn die Verluste der Tageszeitung von 142 Millionen Franc (21,6 Mill. Euro/298 Mill. S) auf 74 Millionen Franc reduziert. Im laufenden Geschäftsjahr (per 30. Juni) erwartet sich die Zeitung einen Verlust von 50 Millionen Franc. (APA)