Österreich
Caritas will Fleisch verteilen
Schwere Bedenken gegen Vernichtung gesunder Rinder, nur um Markt zu retten
Wien/München - Die wegen der BSE-Krise schon
durchgeführten und weiter geplanten
Massenschlachtungen von Rindern in Europa
sorgen zunehmend für Bedenken. Es sei
"moralisch und ethisch inakzeptabel, gesunde
Rinder zu schlachten und sie zu verbrennen, nur
um den Marktwert zu halten", sagte am
Donnerstag Caritas-Präsident Franz Küberl.
Den Vorschlag, das Fleisch über
Hilfsorganisationen wie die Caritas an hungernde
Menschen zu verteilen, hält Küberl grundsätzlich
für eine "sehr vernünftige Idee" - vorausgesetzt,
das Fleisch sei 100 Prozent sicher und jedes Rind
geprüft. Um die Ware zu verteilen, seien enorme
logistische Bedingungen zu erfüllen, die Caritas
strebe eine Kooperation mit der UNO an.
Gegen Massenschlachtungen zur Stabilisierung
des Fleischmarktes sprach sich auch der private
Verein gegen Tierfabriken aus. Die Vernichtung
von EU-weit zwei Millionen Rindern sei ein
"ökonomisches, ökologisches und ethisches
Desaster".
"Bei allem Verständnis für die Probleme der
Landwirtschaft dürfen wir nicht vergessen, dass
auch die Wirtschaft stark betroffen ist", sagte
Wirtschaftsbund-Generalsekretär Karlheinz Kopf.
Allein im Lebensmittelhandel betrage der
Umsatzeinbruch innerhalb von nur zwei Monaten
150 bis 200 Millionen Schilling, bei Schlachthöfen
gebe es Umsatzrückgänge von bis zu 70 Prozent,
und in der Fleischwarenindustrie seien 3000
Arbeitsplätze gefährdet.
Ausgliederung
Wie berichtet, wollen die Regierungsparteien eine
"Agentur für Ernährungssicherheit" gründen, in
die die Bundesanstalten für
Lebensmitteluntersuchung, die
veterinärmedizinischen Untersuchungsanstalten,
das Forschungszentrum für Landwirtschaft, die
Bundesanstalt für alpenländische Milchwirtschaft
und die Bundesanstalt für Milchwirtschaft
ausgegliedert werden könnten.
Die Finanzierung der Agentur, in der etwa 1500
Personen (mit)arbeiten würden, ist noch unklar.
Stefan Seebauer, Vorsitzender der
GÖD-Bundessektion Arbeit Soziales Gesundheit,
vermutet, dass die Kosten durch eine Erhöhung
des Mehrwertsteuersatzes auf alle Lebensmittel
auf den Konsumenten abgewälzt werden.
Scheinbar diene die Agentur in erster Linie dazu,
viele Bundesbedienstete aus dem
Personalaufwand des Bundesbudgets
herauszubekommen, so Seebauer.
Tiermehlentsorgung
Ludwig Penz, der Präsident der Tiroler
Landes-Landwirtschaftskammer, wies indes auf
das Ende Februar anstehende Problem der
Kostentragung für Tiermehlentsorgung und
BSE-Schnelltests hin. Wie berichtet, wurden die
von der EU verhängten Maßnahmen kurzfristig
aus dem Katastrophenfonds finanziert. Die Kosten
für Tiermehlentsorgung und BSE-Schnelltests
werden auf bis zu 1,3 Milliarden Schilling pro Jahr
geschätzt. Wer ab März zahlen wird, ist noch
ungewiss.
Im Büro von Landwirtschaftsminister Wilhelm
Molterer (ÖVP) stoßen die Vorschläge der
deutschen Ministerin Renate Künast (Grüne) für
eine "radikale Wende in der Agrarpolitik" auf
Zustimmung. Schon der "heimische Status Quo"
entspreche meist den deutschen
Veränderungsvorschlägen. Das zeige ein
Vergleich mit dem einschlägigen
Parteivorstandsbeschluss des deutschen Bündnis
90/Die Grünen.
In Sachen Biolandwirtschaft sieht Alois Leidwein
vom österreichischen Bauernbund
Förderungsgrenzen. In den nächsten Jahren sei in
Osteuropa ein Bioboom zu erwarten, die "von
billigen Arbeitskräften hergestellten" Produkte
könnten den heimischen Markt erobern.
Schweinetest positiv
Auch die aktuelle Schweineaffäre fand Donnerstag
ihre Fortsetzung: Bei Untersuchungen von Proben
von Schweineharn wurde bei vier bisher fraglichen
Einheiten aus Salzburg tatsächlich
Chloramphenicol nachgewiesen. Dieses
Breitband-Antibiotikum ist in der heimischen
Tierhaltung absolut verboten. Bisher wurde das
Medikament sechsmal festgestellt. Der
Hemmstofftest zum Nachweis von Antibiotika fiel
bisher landesweit 89-mal positiv aus.
Der hauptverdächtige bayrische Tierarzt im
Schweinemastskandal bleibt in U-Haft. Die
Vorwürfe gegen den Straubinger Veterinär Roland
F. seien sogar um weitere Verstöße gegen das
Arzneimittelgesetz erweitert worden, erklärte der
Regensburger Oberstaatsanwalt Peter Schu-
chardt. (bri/APA/dpa/red, DER STANDARD,
Print-Ausgabe, 9. 2. 2001).