Der Zirkus Knie muss zusperren, seine 60 Tiere werden bald versteigert. Schade. Hätte es nur mehr euphorische Fans vom Schlage Mariannes gegeben. Sie kann sich noch gut an die kolossale Weihnachtsvorstellung (der Elefanten) erinnern. "Ich war so glücklich. Ich bin nach vorne geschwebt." Kurzum: Sie wollte in die Manege. Direktor Louis Knie und die Polizei waren dagegen. Besucher Gregor war dafür. Er steht wegen Widerstandes gegen die Staatsgewalt, die es auch im Zirkus gibt, vor Gericht. Gregor ist dem Gericht schon einmal aufgefallen. "Sie haben etwas aus dem Fenster geworfen, stimmt’s?", fragt der Richter: "Eine Kokosnuss oder eine Flasche?" - "Alles drei", erwidert der kräftige Mann. (Er meint: auch den Tisch, auf dem sich die Gegenstände befanden.) Am 22. Dezember besuchten er und Freundin Marianne den Zirkus. "Sozusagen zu dritt", bekräftigt der Richter. (Er zählt auch die für die Handlung tragende Wodkaflasche mit.) "Ich muss dazu sagen, ich vertrage keinen Wodka", gesteht Gregor: "Und wenn man aus der Flasche trinkt, kann man das nie so genau dosieren." Marianne verträgt zwar einen Wodka, aber eben nur einen und nicht eine halbe Flasche, auch nicht mit 55. Damals im Zirkus sah sie plötzlich dreimal mehr indische Elefanten als anwesend waren. "Es war so wunderschön. Da hab ich die Kontrolle über mich verloren und bin vormarschiert. Das ist mir heute wahnsinnig peinlich", sagt sie. Knie junior war es sogar mehr als peinlich. Er wies seine Wachpolizisten an, die kreischende Dame zu entfernen. "Wir befürchteten, dass der indische Elefant durch die ungewöhnlichen Bewegungsabläufe am Rand der Manege aus seinem Konzept gebracht werden könnte", heißt es in der Anzeige: "Und das wäre einer Tragödie gleich gekommen." Man denke nur an die Nummer, bei der der Elefant sein Pfötchen hebt und sich der Dompteur darunter rollt, um die Sohle zu besichtigen. Taucht da plötzlich eine vor Glück taumelnde Frau Marianne auf, wundert sich das Tier und stellt vielleicht irrtümlich sein viertes Beinchen wieder hin. Folglich war es klug von der Polizei, die Frau und ihren Beschützer Gregor aus dem Zirkuszelt zu entfernen. Er wehrte sich ein bisschen: Vier Monate bedingt. (Daniel Glattauer/DER STANDARD, Print-Ausgabe, 9. 2. 2001)