Wien - Erstaunlich klar gegen den Gewerkschaftsbund und die Arbeiterkammer (AK) hat SPÖ-Vorsitzender Alfred Gusenbauer seine Partei in der Frage der EU-Erweiterung positioniert. ÖGB und AK wollen die Freizügigkeit für Arbeitnehmer und Dienstleister erst dann gewähren, wenn vorher in den Beitrittsländern 80 Prozent des österreichischen Lohnniveaus erreicht sind. Eine derart starre Haltung halten Gusenbauer und SPÖ-Europasprecher Caspar Einem,
DER
S
TANDARD
berichtete, für nicht sinnvoll.
Das Lohnniveau sei nur zum Teil ausschlaggebend für die von vielen befürchtete Wanderung von Arbeitnehmern, erläutert Gusenbauer. Wäre dies der Fall, dann müsste es z. B. eine enorme Wanderungsbewegung zwischen Ost- und Westungarn geben, weil das Lohnniveau in Ostungarn wesentlich niedriger als im Westen des Landes sei, wo überdies Arebitskräftemangel herrsche. Das ist nicht der Fall, obwohl man im Land nicht einmal die Sprachbarriere zu überwinden hätte. In den Unionsländern sind außerdem die Preise sehr viel höher, was den Anreiz für die Zuwanderung naturgemäß verringert.
Zu rechnen ist allerdings mit einem Anstieg der Tages-und Wochenpendlerinnen aus den Beitrittsländern. Hier schlägt der SPÖ-Vorsitzende im "Pakt für Arbeit und Europa" sinnvolle Schutzmaßnahmen sowohl für die heimischen als auch die einpendelnden Arbeitnehmer vor. Vor allem geht es darum, den Lohnunterschied, auf den sich Pendler allenfalls einlassen könnten, zu unterbinden.
In einem Positionspapier finden sich dazu konkrete und drastische Vorschläge:
O Gründung einer Behörde gegen Schwarzunternehmer und illegale Beschäftigung.
O Meldepflicht für jeden ausländischen Arbeitnehmer durch den Unternehmer bei der Sozialversicherung und der Schwarzunternehmerkontrollbehörde. Die Meldepflicht soll auch die Entlohnungsvereinbarung umfassen. Durch diese Bestimmung wird die Einhaltung der "marktkonformen Entlohnung" möglich.
O Grenzüberschreitender gewerkschaftlicher Rechtsschutz. Das bedeutet, dass z. B. der tschechische und der österreichische Gewerkschaftsbund ein Abkommen über die Vertretung der Arbeitnehmer im jeweils anderen Land schließen.
O Vorenthaltene Löhne sollen bis zu drei Jahre nach Beendigung des Dienstverhältnisses einklagbar sein. (ina)
(DER STANDARD, Print-Ausgabe, 9. 2. 2001)