Österreichs Seen, Flüsse und Bäche als "Objekt der Begierde international agierender Konzerne - steht der Ausverkauf unseres Wassers bevor?" Solche und ähnliche Schlagworte prägen derzeit die öffentliche Diskussion um das "weiße Gold" der Alpenrepublik. Tatsächlich verfügt Österreich über enorme Wasservorräte, die derzeit nur zu einem geringen Teil genutzt werden. Nach jüngsten Studien könnten damit rund 440 Millionen Menschen dauerhaft versorgt werden. Schon allein dieses Faktum zeigt, dass die Angst vor einer nachhaltigen Beeinträchtigung des heimischen Wasserhaushalts unbegründet ist. Auch die rechtlichen Rahmenbedingungen bestätigen das: Angenommen, Sie wollen ein Grundstück der Österreichischen Bundesforste mit einer Quelle erwerben - so bedeutet das noch lange nicht, dass Sie das Wasser auch beliebig nutzen können. Zwar gehört eine Quelle grundsätzlich dem Grundeigentümer, deren Nutzung und die Errichtung der dafür notwendigen Anlagen sind aber insbesondere dann bewilligungspflichtig, wenn fremde Rechte berührt werden oder wenn sich daraus ein Einfluss auf öffentliche Gewässer oder fremde Privatgewässer ergibt (§ 9 Abs. 2 Wasserrechtsgesetz). Legt also zum Beispiel die Ableitung von Quellwasser einen unterhalb auf fremdem Grund fließenden Bach trocken oder sollen Leitungen über fremde Grundstücke führen, ohne dass die Zustimmung der Eigentümer vorliegt, besteht Bewilligungspflicht: Die Behörde muss im Genehmigungsverfahren negativen Einfluss auf fremde Rechte (zum Beispiel Grundeigentum, Wassernutzung) und negative Auswirkungen auf andere Gewässer hintanhalten. Ist dies bei einem Vorhaben nicht möglich, muss die Bewilligung verweigert werden. Theoretisch ist zwar die Enteignung fremder Rechte zulässig, in der Praxis aber kaum durchsetzbar - zumal nur eine Quellennutzung in großem Stil wirtschaftlich Sinn macht, und wohl davon auszugehen ist, dass bei derart dimensionierten Projekten auch die Zahl der Beeinspruchungen durch Betroffene entsprechend steigt. Österreich trocken legen? Ähnlich steht es mit den gesetzlichen Vorgaben bei der Entnahme von Grundwasser, die bereits dann bewilligungspflichtig ist, wenn damit andere Personen als der Grundeigentümer versorgt werden sollen (§ 10 Abs. 1 und 2 WRG). Auch hier also bleiben fremde Rechte, zum Beispiel jene von benachbarten Grundeigentümern, gewahrt. Zudem muss die Wasserrechtsbehörde immer, wenn dies die Standortgemeinde geltend macht, darauf achten, dass dem betroffenen Gebiet jetzt und auch in Zukunft genügend Wasser zur Verfügung steht (§ 13 Abs. 3 WRG). Von Amts wegen ist sie schließlich dazu verpflichtet, die öffentlichen Interessen berücksichtigen - wozu naturgemäß auch die Sicherstellung der Trink- und Nutzwasserversorgung zählt -, und darf daher eine Ableitung des Wassers ins Ausland zum Nachteil des Inlandes nicht zulassen. Der Einwand, dass rechtliche Rahmenbedingungen veränderbar sind, ist, fällt, mit Verlaub, in die Kategorie "unerheblich": Für eine gravierende Änderung der Rechtslage wären verfassungsgesetzlich abgesicherte neue Regelungen notwendig, die einer Zwei-Drittel-Mehrheit im Parlament bedürfen. Und ein dahingehender politischer Konsens ist weder wahrscheinlich, geschweige denn in Sicht. Gefahrenquelle Brüssel? Auch das manchmal als schwer beeinflussbar und schicksalhaft dargestellte Recht der Europäischen Union gewährt Österreich entscheidenden Einfluss in Fragen der Bewirtschaftung von Wasserressourcen. Maßnahmen in diesem Bereich können nach dem geltenden EU-Vertrag nur einstimmig vom Rat beschlossen werden, in dem alle Mitgliedsstaaten vertreten sind. Daran hat sich auch beim Gipfel von Nizza nichts verändert. Bleiben neben den rechtlichen Hürden noch die nicht zu unterschätzenden technischen Probleme beim Transport großer Wassermengen: Mit Pipelines ist der Wassertransport wegen des Qualitätsverlustes nur über relativ kurze Distanzen möglich - von den Kosten derartiger Anlagen ganz abgesehen. Trinkwasser kann als Konkurrenzprodukt zu Mineralwasser in Flaschen abgefüllt werden. Die Abfüllung muss aber an der Quelle erfolgen, und daraus können sich positive wirtschaftliche Impulse vor Ort ergeben. Offen bleibt nur die Frage, ob es für so ein Produkt auch ausreichend Nachfrage gibt. Eines ist für die Zukunft jedenfalls nicht anzunehmen: dass griechische oder spanische Bauern ihre Felder mit österreichischem Quellwasser aus der Flasche versorgen. Fazit: Die öffentliche Debatte um eine vermeintlich drohende "Entwässerung" der Alpenrepublik sollte mit etwas weniger Emotion geführt werden. Notwendig wäre dagegen eine sachliche Diskussion darüber, wie die Wasserreserven ökologisch und zugleich wirtschaftlich sinnvoll genutzt werden können. Rechtsanwalt Gerhard Braumüller ist Mitglied der Austrian Advocates Alliance, Lektor an der Universität Graz und Mitautor des kürzlich erschienenen "Handbuch Wasserrecht" (Linde Verlag 2000).