Wien - Das Justizministerium plant eine Gesetzesnovelle zur Erleichterung von Delogierungsverfahren. Demnach werden ab 1.7. Delogierungen ohne Gerichtsverhandlung vonstatten gehen können. Die Bundesarbeitsgemeinschaft Wohnungslosenhilfe befürchtet in diesem Zusammenhang, dass die neue Regelung vor allem zu Delogierungen ärmerer Menschen führen wird, was in Folge die Zahl der Obdachlosigkeit ehöhen würde. Kosten für Länder und Gemeinden würden zunehmen Weder soziale noch volkswirtschaftliche Vorteile kann Stefan Ohmacht von der Bundesarbeitsgemeinschaft Wohnungslosenhilfe im geplanten neuen Gesetz erkennen: "Geht man davon aus, dass die Länder und Gemeinden diese Menschen nach der Delogierung in einem Heim unterbringen, dann ist diese Reform von vornherein ein Verlustgeschäft für den Staat insgesamt." Bei den Gerichten könnten sicherlich Verwaltungskosten eingespart werden, "draufzahlen" würden die Gemeinden und Länder, die für die Unterbringung der Delogierten in Heimen aufkommen müssten, so Ohmacht. Er ersuche daher die Sozial- und Wohnungsreferenten der Bundesländer, diese Gesetzesänderung zu verhindern. Positive Signale habe er bereits aus Wien, Niederösterreich, Oberösterreich, Salzburg und dem Burgenland erhalten. Bereits nach vier Wochen Delogierung Falls das neue Gesetz in Kraft trete, wird es rascher und häufiger zu Delogierungen kommen, so Ohmacht. Wird beispielsweise die Miete nicht bezahlt, kann der Vermieter dem Mieter sofort die Kündigung schicken. Erhebt der Mieter dagegen keinen Einspruch, kann sein Vermieter nach vier Wochen den "Rauswurf" beantragen - und dann hat der Mieter kein Mittel mehr dagegen. Aus dem Justizministerium hieß es, die Vorbehalte würden überprüft. Die "sozialen Folgekosten" der geplanten Zivilprozess-Novelle, mit der Delogierungen erleichtert werden, seien höher, als die "vermuteten Einsparungen bei den Gerichten". Diesen Vorwurf erhob die BAWO (Bundesarbeitsgemeinschaft Wohnungslosenhilfe) am Freitag in einer Aussendung. Die Novelle würde sich vor allem für "sozial schwächere Mieter, die sich rechtlich wenig auskennen" negativ auswirken. Die BAWO kritisiert, dass die Gerichte Angaben der Vermieter über die Mietschulden in Zukunft nicht mehr prüfen müssten. Weiters sei die Einspruchsfrist von vier Wochen zu kurz. Außerdem sei die Novelle "im Geheimen" ausgearbeitet worden, ohne "Mietervertreter und Delogierungspräventionsstellen" einzubinden. Die BAWO fordert deshalb, dass "der Vermieter mindestens eine außergerichtliche Mahnung" nachweisen muss, dass ausstehende Mieten, wie bisher, nachgeholt werden dürfen, und dass die Gerichte die Höhe der Mietrückstände überprüfen müssen. Weiters sollten "bundesweit Delogierungspräventionsstellen" eingerichtet werden. SP verurteilt Delogierungen im Schnellverfahren Scharfe Kritik von SPÖ-Bundesgeschäftsführerin Doris Bures gab es am Freitag an der geplanten Zivilprozess-Novelle, die eine Erleichterung von Delogierungen vorsieht. Sie sprach von einem "Kniefall vor den Hausbesitzern und Immobilienspekulanten, der zahlreichen Mietern die Existenz kosten kann". Insgesamt sieht sie einen "weiteren Beweis für die soziale Kälte der Regierung". "Delogierungen im Schnellverfahren heißt also der jüngste Schlag dieser Regierung gegen die Mieter", so Bures. "Rechtsunkundige und sozial Schwache sollen also möglichst reibungs- und problemlos vor die Tür gesetzt werden". Die Regierung zeige "keine Hemmungen, Menschen handstreichartig auf die Straße zu setzen" und habe auch kein Problem damit, dass ein Ansteigen der Zahl der Obdachlosen vorprogrammiert sei. Bures gab auch zu bedenken, dass es gerade bei Alleinerzieherinnen und kinderreichen Familien zu besonderen Härten kommen werde. Derzeit kann der Mieter im Zuge einer Verhandlung geltend machen, dass ihn kein grobes Verschulden für das Nichtbezahlen der Miete trifft. Arbeitslosigkeit etwa wird als Entschuldigungsgrund anerkannt. Nachdem der Mieter seine Miete bezahlt hat, darf er in der Wohnung bleiben. Die geplante Regelung verkompliziere und verteuere - vor allem für die Mieter - das Verfahren. Bures gab ein weiteres Problem, das sich bei Kündigungsverfahren immer wieder stelle, zu bedenken: Gerade in Problemhäusern würden gerichtliche Schreiben auf Grund aufgebrochener Briefkästen oftmals nicht zugestellt werden - "die Mieter haben in solchen Fällen von laufenden Verfahren keine Ahnung und verlieren ihre Wohnung". Für Bures ist es inakzeptabel, dass künftig Verfahren, in denen Menschen ihren Wohnraum verlieren, jenen angeglichen werden, die weit weniger bedeutend sind, wie beispielsweise nichtbezahlte Telefon- oder Versandhausrechnungen. "Das steht in keiner Relation", so Bures abschließend, "denn hier geht es um die Existenz von Menschen". Böhmdorfer: Verfahrensbeschleunigung Justizminister Böhmdorfer bezeichnet die Diskussion um die Zivilprozess-Novelle, die Delogierungen erleichtern soll, als "polemische und unsachliche Kritik". Der Entwurf, der bis zum 31. Jänner zur Begutachtung ausgesandt war, solle eine "Verfahrensbeschleunigung" und "Vereinfachungen der Räumungsverfahren" bringen. Aufgrund der "umfangreichen" Stellungnahmen werde der Gesetzesentwurf gerade überarbeitet, "bevor er dem Ministerrat zugleitet wird". Für Böhmdorfer besteht die Vereinfachung darin, dass künftig mit "jedem Räumungsbefehl ein bereits vorgedruckter Einspruch zugestellt" werde. Wenn dieser unterschrieben werde, sei der Räumungsbefehl automatisch außer Kraft gesetzt. Österreichweit fallen jährlich rund 26.000 Räumungsverfahren an. 50 Prozent davon werden widerspruchslos rechtskräftig. ( (APA/red)