Santiago de Chile - Die Anklage des früheren chilenischen Diktators Augusto Pinochet (85) wegen Anstiftung und Beihilfe zu Morde und Entführung politischer Gegner unter der Militärdiktatur (1973-1990) soll am kommenden Dienstag vor Gericht überprüft werden. Das Appellationsgericht in der Hauptstadt Santiago werde sich mit der von Pinochets Rechtsanwälten eingelegten Berufung gegen die Anklage und den zugleich verhängten Hausarrest befassen, teilte ein Sprecher am Donnerstag (Ortszeit) mit. Der Untersuchungsrichter Juan Guzman will Pinochet wegen dessen Verantwortung für 57 Morde und 18 Entführungen durch die "Karawane des Todes" vor Gericht bringen. Die Todesschwadron der Militärs hatte 1973 bereits inhaftierte Gegner erschossen. Die Verteidigung des früheren Machthabers hatte ihre Berufung mit dem schlechten Gesundheitszustand ihres Mandanten begründet. Pinochet sei wegen seiner angegriffenen Gesundheit verhandlungsunfähig, sagte Rechtsanwalt Gustavo Collao. Er betonte, Guzman habe bei der Anklageerhebung das gerichtsmedizinische Gutachten zur geistigen Verfassung Pinochets außer Acht gelassen. In Chile wird ein Angeklagter nur geschont, wenn er verrückt ist oder an einer erheblichen Einschränkung seiner geistigen Fähigkeiten leidet. Belastendes Dokument aufgetaucht Die Vertreter der Anklage äußerten sich unterdessen optimistisch, dass die Berufung scheitern werde. Sie stützen sich dabei auf ein erst kürzlich aufgetauchtes Dokument aus dem Jahre 1973, in dem Pinochet angeblich anordnet, die Erschießung des politischen Gefangenen Eugenio Ruiz Tagle als Ergebnis schwerer Vorwürfe gegen das Opfer darzustellen. Außerdem solle behauptet werden, Ruiz sei nicht gefoltert worden, habe Pinochet in dem Dokument weiter angeordnet. Der Leichnam des ohne Gerichtsverhandlung erschossenen Cousins des späteren Präsidenten Eduardo Frei Ruiz Tagle hatte jedoch Schnitte, Spuren von Schlägen und gebrochene Knochen aufgewiesen. Das Dokument wurde als weiterer Beweis dafür gewertet, dass Pinochet von den Verbrechen der "Karawane des Todes" wußte und Ermittlungen unterdrückte. Der Leiter der Verteidigergruppe Pinochets, der Anwalt Pablo Rodriguez, bezeichnete das Schriftstück hingegen als entlastendes Dokument. Es zeige, dass Pinochet die Erschießungen nicht angeordnet, sondern erst später von ihnen Kenntnis erhalten habe. (APA/dpa)