Foto: Universität Leuven
Rochestor/Wien - Ein unter Insekten verbreitetes Bakterium (Wolbachia) kann seine Wirte in die Entwicklung neuer Arten treiben - und wenn man diese dann mit Antibiotika von dem Bakterium befreit, verschwinden die Artgrenzen wieder. "Das ist die bisher beste Evidenz, dass Parasiten zur Artenbildung beitragen können", berichtet Experimentator John Werren (University of Rochester, New York), "wir sagen nicht, dass die Bakterien das alleine machen, aber wir haben gezeigt, dass die durch sie induzierte Änderung der Reproduktion die Artenbildung vorbereiten kann." Aber Wolbachia kann auch Arten verschwinden lassen oder an den Rand des Aussterbens treiben. Beides hat seinen Grund in der Vermehrungsweise der Bakterien. Sie brauchen dazu das Zytoplasma des Eis. Sperma hat praktisch kein Zytoplasma, deshalb sind Männchen unwillkommen und werden aus dem Weg geräumt. Dazu hat Wolbachia verschiedenste Strategien entwickelt, die ihm auch den Namen "Witwenmacher" eingetragen haben: Bei manchen Arten werden durch das Bakterium alle Männchen in Weibchen umgewandelt und diese zur Jungfernzeugung befähigt. Bei anderen - Marienkäfern, die ihre Eier in dichten Bündeln legen - sterben durch Wolbachia die männlichen Jungen früh und dienen ihren Schwestern als Zusatzfutter. Wer kann mit wem? Bei wieder anderen - die auch mit Wolbachia keine Jungfernzeugung betreiben können - entscheidet das Bakterium, welches Sperma welches Ei befruchten kann. Weil das Bakterium naturgemäß nur von Weibchen weitergegeben wird, die mit ihm infiziert sind, verhindert es die Befruchtung der Eier nicht infizierter Weibchen durch infizierte Männchen. Dann können sich Nichtinfizierte nur noch mehren, wenn sie andere Nichtinfizierte finden. Zwar paaren sich Mitglieder beider Untergruppen durchaus miteinander - die Heiratsrituale sind dieselben -, aber ohne Erfolg. Das hat Werren an Wespen herausexperimentiert, es ist für ihn der erste Schritt zur Bildung neuer Arten, die eben dadurch definiert sind, dass sie sich nicht mit den anderen reproduzieren können. Aber es ist nur der erste Schritt, und er ist reversibel: Die Forscher haben ihre Wespen mit Antibiotika gefüttert, und nach drei Generationen konnten sie sich wieder erfolgreich paaren. Aber die Natur verabreicht keine Antibiotika, und ein Fünftel aller Insekten ist Gastgeber für Wolbachia: Das könnte in der Evolution viele Arten differenziert haben. Menschen tut Wolbachia, soweit bekannt, nichts, sie wollen seine Tricks nutzen: Der der Verweiblichung könnte gegen Schadinsekten helfen, und der der Sperma/Ei-Unverträglichkeit könnte die "Pille für den Mann" bringen. (DER STANDARD, Print-Ausgabe, 10./11. 2. 2001).