Berlin - Trotz der Mahnungen der CDU-Spitze hat sich die Debatte um die Doppelspitze der deutschen Partei und die Kanzlerkandidatur am Wochenende fortgesetzt. Der frühere Partei- und Fraktionschef Wolfgang Schäuble, der wieder für eine stärkere politische Rolle im Gespräch ist, beklagte eine mangelhafte Außenwirkung der CDU. Hessens Ministerpräsident Roland Koch (CDU) forderte Geschlossenheit im Führungsteam aus CDU-Chefin Angela Merkel, Unionsfraktionschef Friedrich Merz und CSU-Chef Edmund Stoiber. Mitglieder der "Gruppe 94" der Unionsfraktion drängten, die Frage der Kanzlerkandidatur nicht erst Anfang 2002 zu entscheiden. Bundeskanzler und SPD-Chef Gerhard Schröder sagte, die CDU habe neben der Führungsfrage auch ihre Inhalte nicht geklärt. Schäuble sagte im NDR, dass die CDU sich zwar sehr wohl mit inhaltlichen Fragen beschäftige, etwa Bioethik oder soziale Sicherung in Zeiten der New Economy, kritisierte aber die Außenwirkung der CDU. "Nicht immer dringt das deutlich nach außen, das ist vielleicht wahr." Das liege daran, dass die Öffentlichkeit sich lieber mit Personaldebatten beschäftige. Merz: Schäuble mehr in die Bundespolitik Schäuble sollte nach dem Willen von Merz wieder eine stärkere Rolle in der Bundespolitik spielen. "Wolfgang Schäuble hat zurzeit nicht die Aufgabe in der Politik, die seinen Begabungen und Fähigkeiten entspricht", sagte Merz dem ZDF. "Ich wünsche mir sehr, dass Wolfgang Schäuble wieder mehr politische Aufgaben übernehmen könnte", sagte Merz. Er selbst wolle aber Fraktionsvorsitzender bleiben. Als Falschmeldung bezeichnete er Berichte, wonach in der Union die Rufe nach einer Rückkehr Schäubles als Fraktionschef lauter werden. "Es hat niemanden gegeben, der bei (CSU-Landesgruppenchef) Michael Glos war und gesagt hat: 'Er soll's wieder machen'", betonte Merz. Zugleich unterstrich Merz, dass er sich Merkel nicht unterordne. An der Unionsspitze gebe es keine Hierarchie, sondern feste Aufträge, antwortete Merz auf die Frage, ob Merkel die Nummer eins sei und er die Nummer zwei. Der CDU-Abgeordnete Hans-Otto Wilhelm und sein CSU-Kollege Gerd Müller, die beide zur "Gruppe 94" von 1994 in den Bundestag eingezogenen Unionspolitikern gehören, machten sich für eine frühzeitige Kanzlerkandidatur stark. "Wer glaubt, er müsse die Entscheidung zwischen drei potenziellen Kandidaten offen halten, provoziert weitere Irritationen und schwächt die Schlagkraft der Opposition", sagte Otto der "Welt am Sonntag". Die CDU solle ihren Kandidaten noch vor den Landtagswahlen am 25. März in Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz benennen, und auch Stoiber solle bald Klarheit schaffen. Die endgültige Nominierung des Unionskandidaten müsse zwischen der Sommerpause und Weihnachten liegen. Müller sagte, die Union müsse sich noch vor der Sommerpause festlegen, wenn sich der Führungsstreit fortsetzen. Stoiber die besten Kanzler-Chancen Nach einer Forsa-Umfrage im Auftrag von "Bild am Sonntag" hätte Stoiber die besten Chancen als Kanzlerkandidat. 39 Prozent der 1006 wahlberechtigten Befragten sprachen sich für ihn aus, 23 Prozent für Merkel und nur acht Prozent für Merz. Koch kam auf drei Prozent, 27 Prozent wollten sich nicht entscheiden. Koch sagte auf einem CDU-Landesparteitag in Gießen, sein Landesverband wolle das Führungsteam aus Merkel, Merz und Stoiber solidarisch unterstützen. Dazu gehöre aber auch, dass sie als Team führten. "Punkte macht man gegen den Gegner, Punkte macht man nicht gegen Freunde", appellierte Koch. Aus der CSU wurde erneut Kritik an der Doppelspitze der Schwesterpartei laut. Der Parlamentarische Geschäftsführer der CSU-Landesgruppe, Peter Ramsauer, forderte im Magazin "Focus", "die Abläufe an der CDU-Spitze müssen sich dringend verbessern". Schröder sieht die Regierungsarbeit angesichts der Lage der Opposition unbeschwert. "Die Opposition stört dabei im Moment nicht sehr", sagte er dem "Mannheimer Morgen". "Der Nachteil besteht darin, dass man nicht in der Sache herausgefordert wird und sein eigenes Urteil an den Alternativen der Opposition nicht schärfen kann." Die CDU habe noch nicht geklärt, ob sie mehr nach rechts oder mehr auf Merkels Linie agieren wolle. (APA/Reuters)