Wien/London - Die Gen-Sequenzierer feiern, die Bioinformatiker, die aus dem Datenwust der drei Milliarden Basenpaare der menschlichen Erbsubstanz den "Sinn" und die Ziele für nützliche Anwendungen herausfiltern sollen, sind eher vorsichtig. "Die Arbeit beginnt erst" und "Wenn ich weiß, aus welchen Bestandteilen eine Uhr besteht, weiß ich noch nicht, wie sie funktioniert" - So stellten Frank Eisenhaber vom Institut für Molekulare Pathologie (IMP) in Wien und Dr. Peter Hecht (Tripos Receptor Research Ltd./Großbritannien) die Situation dar. Eisenhaber äußerte sich zunächst skeptisch, ob die vorliegenden Daten zum menschlichen Genom überhaupt genau genug wären: "1998 hat man die Sequenzierung des Erbguts des Wurms Caenorhabditis elegans bekannt gegeben. Seither schwankt die Zahl der neu entdeckten Proteine von Monat zu Monat wie die Fieberkurve eines Malariakranken. Das heißt, es werden ständig "neue" Gene entdeckt. Noch viel mehr wie bei dem Wurm wird das auf das menschliche Genom zutreffen." Konkurrenzkampf, der in Pfusch endet? Der Leiter der Arbeitsgruppe Bioinformatik am IMP weiter: "In der Situation dieses für mich schwachsinnigen Konkurrenzkampfes (zwischen Craig Venter und HUGO) ist da in den Informationen wahrscheinlich noch ziemlich viel 'Pfusch' drin. Die nächsten zehn Jahre werden erst jene Periode sein, in der wir langsam die Rolle der einzelnen Gene auf molekularem Niveau erforschen." Der aus Niederösterreich stammende, ehemals am Sandoz-Forschungsinstitut tätige und nunmehr bei Tripos, einem führenden Bioinformatik-Unternehmen in Cornwall (Großbritannien) als Senior Vice President der Forschungsarbeiten fungierende Mag. Dr. Peter Hecht: "Vor uns liegt die Herausforderung zu klären, wie bestimmte Gene auf biologische Prozesse wirken und wie wir sie beeinflussen können. Wir beginnen gerade mit dieser 'Postgenomic Era' (Ära nach der DNA-Sequenzierungen). Wenn ich weiß, aus welchen Bestandteile eine Uhr besteht, weiß ich noch nicht, wie sie funktioniert." Den Wald vor lauter Bäumen Hecht weiter: "Das Problem ist nicht, dass wir zu wenige Daten über die Erbsubstanz oder über mögliche Ziele für neue Arzneimittel haben. Wir haben zu viel davon, um sie mit unseren derzeitigen Verfahren zu analysieren und sinnvoll zu benutzen. Wir benötigen derzeit sechs Monate, um ein neues Untersuchungsverfahren für potenzielle Arzneimittelwirkstoffe auf die Beine zu stellen. Das müssen wir entscheidend verkürzen. Wir benötigen da völlig neue Methoden." Der Experte abschließend: "Es gibt noch ein Problem: Die Daten von der Erbsubstanz sollen ja zum Wohle der Menschen benutzt werden. Fragwürdige Patente von Genen, die recht weit weg von möglichen Zielen für neue Arzneimittel sind, führen nur dazu, dass man viele der Informationen gar nicht für Forschungen benutzen kann." Eisenhaber bremste die Erwartungen ebenfalls: "Wir sind derzeit in folgender Situation: Wir haben die 'Antarktis' umschifft. Wir kennen roh ihr Grenzen, unter das Packeis konnten wir noch nicht schauen. Und selbst wenn wir eine Expedition auf das Land unternommen haben, wissen wir noch nicht, wie der Kontinent aussieht. Wir kennen nur den Hin- und den Retourweg. Wir haben die Expedition mit erheblichem Risiko unternommen - und manche der Teilnehmer haben mit ihrem Leben bezahlt." - Aber immerhin roh abgesteckt sei das Terrain nun mit den Genom-Daten des Menschen. (APA)