Hams-Hall - Kaiserwetter im Land der Queen, der Himmel weißblau - besser hätte es der Wettergott mit BMW nicht meinen können. Und auch der Symbolgehalt stimmte bei der Eröffnung des neuen Motorenwerks in Hams Hall, nahe Birmingham. Denn nach dem Rover-Debakel geht es mit der bayerischen Edelschmiede wieder steil bergauf. Weil die bisherigen Motorenwerke in Steyr und München aus allen Nähten platzen, war ein drittes Werk überfällig. 400 Millionen Pfund (628 Mio. EURO/8,65 Mrd. S) hat man sich die Produktionsstätte in Hams Hall kosten lassen, die "Bayerischen" werden also künftig ein wenig zu "Britischen Motoren Werken". Offiziell gab es zur Eröffnung markige Bekenntnisse zum Engagement in Großbritannien, inoffiziell klingt das anders. "Nach heutigem Stand würde man das nicht mehr machen. 1995 wurde das Werk geplant. Die Standortwahl ist nur unter den damaligen Rahmenbedingungen verständlich", hört man. Soll heißen: Die BMW Group wollte hier eigentlich hauptsächlich Motoren für Rover bauen. Doch auch nach dem englischen Desaster macht Hams Hall Sinn. Wegen der extrem hohen Automatisierung spielen die Personalkosten, zehn Prozent etwa, eine untergeordnete Rolle. Weitere zehn Prozent entfallen auf lokale Zulieferer. Der Rest kommt aus der Euro-Zone, vor allem Deutschland und Österreich. Überhaupt wird in Hams Hall viel deutsch gesprochen - mit österreichischem Zungenschlag. Das beginnt beim Topmanagement (drei der sechs Köpfe stellt Österreich) und endet beim Know-how-Transfer. Das Motorenwerk Steyr diente als Vorbild, was Automatisierung, Produktionsabläufe, Qualtitässicherung etc. betrifft. Steyr bleibt Nummer 1 In der Hierarchie ändert sich für Steyr nichts, mit 621.000 gebauten Motoren im Vorjahr bleibt Oberösterreich der größte Standort im Konzernverbund. In Hams Hall werden ausschließlich Vierzylinder-Benziner montiert, deren Fertigung in Steyr - rund 200.000 Stück jährlich - läuft 2002 aus. Frei werdende Kapazitäten werden dringend für den Dieselmotorenbau gebraucht. Derzeit arbeiten in Hams Hall 450 Mitarbeiter, bis Jahresende sollen es 650, bei voller Kapazität 1500 sein. Die sollen dann über 400.000 Motoren pro Jahr bauen. Momentan herrscht Ein-Schicht-Betrieb, später werden zwei oder drei Schichten gefahren. Architektonisch ist das BMW-Werk ein freundlicher, heller Ort geworden, innen wie außen, mit japanischem Garten im Innenhof. Wobei, vor kurzem sei das noch eine einzige Müllhalde gewesen, sagt der Österreicher Gerhard Schlager, Leiter Qualitätssicherung und Fertigungstechnik und sozusagen ein Mann der ersten Stunde. "Sie können sich nicht vorstellen, wie das früher ausgesehen hat." Dazu muss man wissen, dass in Hams Hall früher ein riesiges Kohlekraftwerk in Betrieb war. Dort also, wo einst Britanniens größte Dreckschleuder Ruß in die Atmosphäre blies, werden künftig Benzinmotoren gebaut, die hinsichtlich Emissionen zu den saubersten gehören. Von jenen Animositäten, die BMW nach dem Abstoßen von Rover entgegenschlugen, sei nichts mehr zu spüren, betonen die Bayern. Auch die Deutschkurse würden "begeistert angenommen - solange es Spaß macht", amüsiert sich Schlager. Ein Lehrlingsaustauschprogramm zwischen den einzelnen Konzern- standorten gibt es auch, die Resonanz soll riesengroß sein.

Und die Arbeitsmoral? "Bestens", sagt BMW. Meilenweit entfernt von der gefürchteten Rover-Mentalität. Die Frage, wie viele Leute in einem bestimmten Werk arbeiten würden, hatte ein britischer Topmanager seinerzeit so beantwortet: "Half of them." In Hams Hall sind es alle. (Andreas Stockinger, DER STANDARD, Printausgabe 12.2.2001)