Wien - Die Aktien der Telekom Austria sind seit dem Kurssturz gleich nach der Emission im November 2000 viel günstiger als alle anderen europäischen Telekom-Aktien. Derzeit sind die Papiere sogar um mehr als 40 Prozent billiger als die anderen europäischen Kollegen an den Börsen. Analysten in Österreich deuten das in aktuellen Expertisen sehr unterschiedlich: Die Raiffeisen Zentralbank AG (RZB) empfiehlt die Telekom Austria AG (TA) deswegen jetzt zum "Kauf" und sieht auf Jahressicht ein Kursziel von 10,2 Euro. Die Erste Bank dagegen ist überzeugt, dass bei der TA zunächst wenig drinnen ist und sie zuerst in "mehreren Quartalen" die Analystenerwartungen übertreffen muss, um diesen riesigen Abschlag wettzumachen. Die Einstufung lautet daher nur: "Neutral". Der Emissionsführer in Österreich, die CA IB Investmentbank, hat die TA von ursprünglich "strong buy" auf "buy" gestellt. Nur eine Übernahme durch den fast 30-prozentigen Aktionär Telecom Italia könnte den Kurs derzeit nach oben treiben, sagen die Analysten unter Andreas Treichl. Denn das Anlegervertrauen sei nach der Gewinnwarnung schwer angeschlagen, die Belastungsfaktoren für die Aktie, nämlich die Gewinnwarnung im Jänner und das gewaltige Personalroblem, ließen nichts anderes zu. Im Klartext sagt die "Erste": Gewinne wird das Unternehmen erst 2003 ausweisen. Die RZB dagegen erwartet Gewinne bereits ein Jahr früher und schon im laufenden Jahr positive Effekte der Restrukturierungen. Ein Kauf mit kurzfristiger Perspektive sei aber eher als "spekulativ" anzusehen. Breakeven sieht die CA IB ebenfalls bereits im Jahr 2002, allerdings mit prognostizierten sehr geringen Gewinnen. Die Liebe zur Branche ist kühl Dass die TA im Strom des europäischen Sektors nach oben schwimmen kann, ist eher unwahrscheinlich. Zwar tut den nach den UMTS-Lizenzen schwer verschuldeten Unternehmen das rückläufige Zinsumfeld gut, positive Signale sind dennoch nicht auszumachen: Unter Insidern läuft zur anstehenden Emission der France-Télécom-Tochter Orange sogar der Ondit "Lemon": Der Ausgabepreis musste nach unten gesetzt werden, die Zeichnung verlief sehr schleppend, was in der Vorwoche zeitweise der ganzen Branche die Stimmung zusätzlich verdorben hatte. "Positive Nachrichten sind derzeit Mangelware", wie Volksbanken-Fondsmanager Horst Simbürger formuliert. Die RZB erwartet für 2000 einen Verlust je Aktie von 0,82 Euro. Für 2001 sieht sie noch einen Verlust von 0,21 Euro je Aktie, im Jahr 2002 sollte dann das Ergebnis je Aktie mit 0,06 Euro leicht positiv sein. Dagegen die Berechnungen der Erste Bank: 2000 ein Verlust von 0,71 Euro je Aktie, 2001 von 0,35, und 0,11 Euro Verlust je Aktie in den beiden Folgejahren. Bei der CA IB schauen die Berechnungen so aus: 0,59 Euro Verlust je Aktie im Jahr 2000, dann 0,24 Euro Verlust je Aktie, 2002 schließlich einen Gewinn von 0,04 Euro je Anteilschein. Dass große Investoren den beiden Kaufempfehlungen folgen, ist also fraglich. Für alle bereits investiert habenden Privatanleger bleibt der mittelfristige Trost, mit dem in 15 Monaten anstehenden Bonus vielleicht in die Gewinnzone zu gelangen. Nach 18 Monaten Behaltefrist gibt es ja je zehn Aktien eine Gratisaktie. Auf Dividenden wird man die kommenden Jahre vermutlich vergeblich warten. Schneller könnte es mit einem Kursplus gehen, wenn die Telecom Italia via Börse zukauft. Allerdings verlangt das Übernahmerecht nur, dass ein bestimmter Durchschnittskurs der Vergangenheit als Abfindungsangebot gezahlt wird. Und die TA notiert seit ihrem Börsedebüt unter dem Ausgabekurs. (DER STANDARD, Printausgabe, 12.2.2001)