Noch immer gibt es in Italien keinen Wahltermin. Dennoch hat Francesco Rutelli seine Kampagne ganz offiziell gestartet. Der Spitzenkandidat des Mitte-links-Bündnisses begann am Wochenende in Triest eine einmonatige Italien-Rundreise. In 61 Städten wird der Sonderzug des Ulivo-Bündnisses Halt machen.

Der direkte Kontakt zu Hunderttausenden Menschen soll den Umschwung herbeiführen. Noch liegt Rutelli in den Umfragen hinter seinem Kontrahenten, dem Medienunternehmer Silvio Berlusconi. Rutelli ist aber siegessicher: Während Berlusconi auf einem sündteuren Kreuzfahrtschiff Italien umrunde und einen rein medialen Wahlkampf führe, gehe er direkt auf die Bürger zu.

Der 46-jährige Römer will das Neue verkörpern, er ist äußerst mediengewandt, ein smarter Siegertyp à la Berlusconi. Er sei aber, wie seine Wahlbetreuer betonen, deutlich jünger und schöner. Rutelli und seine Frau, die Journalistin Barbara Palombelli - ein dynamisches italienisches Traumpaar.

Und so ist es auch eine der Strategien der Ulivo-Marketingmacher, den 20 Jahre älteren Berlusconi als Inbegriff des "alten Italien" darzustellen - inhaltlich wie auch äußerlich. Man müsse Rutelli im Gegensatz zu Berlusconi nicht liften und weichzeichnen, um sein Foto auf Großplakaten platzieren zu können, verlautet voller Spott aus dem Hauptquartier.


Schwerpunkt Umwelt

Programmatisch ähneln die beiden Kontrahenten einander. Beide versprechen Steuersenkungen, mehr Sicherheit in den Großstädten, die Entwicklung des Südens, die Schaffung von Hunderttausenden neuen Arbeitsplätzen. Immerhin ist Rutelli aber der erste Premierkandidat, der sich traut, offen für Umweltpolitik zu werben. Aufforstungsprogramme wolle er durchsetzen, die neuen Energien müssten gefördert werden, die Lebensqualität in den Großstädten werde er verbessern. Nicht zuletzt wurde der Zug als Wahlkampfvehikel gewählt, er soll Volksnähe, grüne Ideen, gleichzeitig aber auch Hochtechnologie und Zukunft symbolisieren.

Berlusconi unterstellt Rutelli Konzeptlosigkeit und Wankelmütigkeit. Rutelli wurde in der Radikalen Partei des Marco Pannella groß, wechselte nach sechs Jahren zu den Grünen, dann wurde er zweimal zum Bürgermeister von Rom gewählt. Und ausgerechnet dem grünen Bürgermeister gelang das Kunst- stück, einen Ausgleich mit der allmächtigen Vatikanführung zu finden. Vor drei Jahren wechselte Rutelli zur so genannten Bürgermeisterbewegung und trat dann den von EU-Kommissionspräsident Romano Prodi gegründeten "Democratici" bei. Ein reiner Karrierist, urteilt Berlusconi. Ein Vollblutpolitiker, sagen Rutellis Bündnispartner. (Andreas Feichter, DER STANDARD, Print- Ausgabe 12. Februar 2001)