Jerusalem/Washington - Die Bemühungen um eine große Koalition in Israel werden von anhaltender Gewalt in den palästinensischen Gebieten überschattet. Sieger und Verlierer der Ministerpräsidentenwahl vom vergangenen Dienstag, Ariel Sharon und Ehud Barak, trafen am Sonntag zum zweiten Mal in drei Tagen zu Gesprächen über eine gemeinsame Regierung zusammen. Beide Seiten äußerten sich anschließend vorsichtig optimistisch über die Chancen einer Einigung. US-Präsident Georg Bush will sich laut State Department in den Nahost-Prozess einschalten, sobald Sharon eine Regierung gebildet hat. In der Nähe von Jerusalem wurde ein israelischer Autofahrer erschossen. In Bethlehem lieferten sich am Sonntag israelische Soldaten und militante Palästinenser heftige Schießereien. Auf einer wiederholt von Palästinensern beschossenen Straße südlich von Jerusalem wurde im Westjordanland ein israelischer Autofahrer tödlich getroffen, wie ein Militärsprecher mitteilte. Im Gazastreifen explodierte am Sonntag eine am Straßenrand versteckte Bombe, als ein Geländewagen der Armee vorbeifuhr. Verletzt wurde niemand. Zu dem Anschlag bekannte sich eine bisher unbekannte Gruppe mit dem Namen "Palästinensische Nationale Widerstandsbrigade". Sharon hat ein Ende der Gewalt zur Vorbedingung für die Wiederaufnahme von Friedensgesprächen mit den Palästinensern gemacht. Die Arbeiterpartei wiederum macht die Unterstützung einer Regierung unter Sharon von einer weiteren Friedenspolitik mit den Palästinensern abhängig. Als Kernpunkte für eine Regierungsbeteiligung verlangt die Arbeiterpartei die Zustimmung zur Errichtung eines palästinensischen Staates sowie die teilweise Auflösung jüdischer Siedlungen in Westjordanland und Gazastreifen. Wer nicht zum Verzicht auf Siedlungen bereit sei, könne keinen Frieden schaffen, so der Vertreter der Arbeiterpartei bei den Koalitionsverhandlungen, Ofir Pines. Sharons Berater Reuvin Rivlin konterte, Sharon werde keine einzige der 144 Siedlungen räumen. Allerdings besteht die Arbeiterpartei nicht darauf, ein dauerhaftes Friedensabkommen mit den Palästinensern zu schließen. Sharon erklärte, er strebe stattdessen eine langfristige Übergangsregelung an. Barak räumte auch ein, dass Sharon nicht an die Friedensangebote gebunden sei, die er als Ministerpräsident den Palästinensern vorgelegt habe. Der frühere Ministerpräsident Shimon Peres, Architekt des ersten Friedensabkommens mit den Palästinensern von 1993, erklärte sich am Sonntag zur Mitwirkung in einer neuen Regierung bereit. Allerdings bestehe er dann auf der Übernahme des Außenministeriums, sagte Peres am Sonntag im israelischen Rundfunk. Die Außenminister der arabischen Staaten verlangen von Sharon, auf den Friedensangeboten seines Vorgängers Barak aufzubauen. Wenn der neu gewählte Premier das bisher Erreichte nicht anerkenne, zeige er damit, dass er keinen Frieden wolle, erklärte der ägyptische Außenminister Amr Mussa am Sonntag zum Abschluss einer zweitägigen Konferenz in der jordanischen Hauptstadt Amman. "Wir können nicht bei jedem Regierungswechsel bei Null anfangen", erklärte Mussa. Barak hatte den Palästinensern 95 Prozent des Westjordanlands und Teile Jerusalems angeboten. Der Chef der palästinensischen Fatah-Jugendbewegung, Marwan Barguti, nannte Sharon eine "Kollektivstrafe für beide Völker". Er erwarte, dass es letztlich zum völligen Rückzug der Israelis aus den besetzten Gebieten kommen werde. US-Außenminister Colin Powell sagte im CBS-Sendung "Face the Nation", wenn Sharon seine Regierung gebildet habe und beide Seiten ihre Positionen festgelegt hätten, könnten wieder Gespräche mit den Palästinensern geführt werden. Dann werde sich auch Bush einschalten. Bush und er würden tun, was angemessen sei, um den Friedensprozess voran zu bringen. Der Palästinenser-Aufstand, der in vier Monaten schon fast 400 Tote forderte, müsse beendet werden. Bei seiner für den 23. Februar angekündigten Nahost-Reise werde er auch kurz in Syrien Station machen, sagte Powell. (APA/AP/Reuters)