Zagreb - Forderungen nach vorgezogenen Neuwahlen seien an sich legitim, doch nicht auf diese Art: Die kroatische
Sechs-Parteien-Koalition ist schlecht zu sprechen auf die oppositionelle HDZ (Kroatische Demokratische Gemeinschaft), die aus den
Demonstrationen vom Wochenende gegen Pläne, Ex-General Mirko Norac wegen Kriegsberbrechen vor Gericht zu stellen, Kapital schlagen
wollen. Einige Redner der HDZ nützten die Proteste in mehreren kroatischen Städten, um die Regierung scharf zu attackieren.
Auf der größten Kundgebung vom Sonntag in der Küstenstadt Split, zu der sich in Solidarität mit Norac rund 100.000 Menschen versammelten,
wurde von den Veranstaltern eine Zwölf-Punkte-Erklärung verlesen. Unter anderem wurden die Aufhebung des Haftbefehls gegen Noric, der
Abbruch der Kontakte der Zagreber Regierung mit dem Internationalen Krigsverbrechertribunal in Den Haag und vorgezogene Neuwahlen
gefordert. Von allen Gruppierungen, die aus Kroatien und aus Bosnien-Herzegowina an dem Massenprotest teilnahmen, stellte die HDZ des
verstorbenen Präsidenten Franjo Tudjman das größte Kontingent.
HDZ-Präsident Ivo Sanader hielt bei der Protestaktion in Split eine Brandrede, in der er die Stärke der Opposition hervorstrich: "Es gibt in
Kroatien derzeit nur zwei Konzepte: auf der einen Seite Split, auf der anderen eine Handvoll Leute, die die Wahl vom 3. Jänner gewonnen hat."
Zwei Vertreter des weit rechts stehenden HDZ-Flügels, Ivic Pasalic und Drago Krpina, waren ebenfalls in Split mit dabei.
Bei der Pro-Norac-Kundgebung in Osijek, an der einige Zehntausend Menschen teilnahmen, stellte ebenfalls die HDZ das stärkste Kontingent,
angeführt von Vizeparteichef Vladimir Seks. Die Tudjman-Partei "bombardierte" die Behörden mit Botschaften wie jener von Krpina, die lautete:
"Sowohl (Ministerpräsident Ivica) Racan als auch (Präsident Stipe) Mesic werden stürzen."
Der Verfasser der Zwölf-Punkte-Deklaration verlangten von der Regierung, sich zu den darin enthaltenen Forderungen zu äußern. Noch
Sonntag Abend wies die Koalition nach internen Beratungen dies zurück. Drazen Budisa, Spitzenpolitiker der Sozialliberalen Partei (HSLS),
erinnerte an das Jahr 1997, als die HDZ noch an der Macht war. Damals war eine ganze Gruppe von hochrangigen Offizieren an das Haager
Tribunal überstellt worden.
Racan definierte die Deklaration als Angriff auf die demokratisch gewählten staatlichen Institutionen. Vor seinem Abflug nach Warschau
erklärte Racan, die Regierung wisse sehr wohl, dass die HDZ dahinter stehe. Die HDZ, heute in Opposition, habe eine Strategie des politischen
Kampfes gewählt; diese Haltung sichte sich gegen die Einheit und Demokratie Kroatiens. Eine Absage der Polen-Visite, zu der ihn mehrere
Minister begleiteten, wegen der Straßenproteste komme nicht in Frage. Die meisten kroatischen Bürger, ob sie mit der Regierungspolitik
einverstanden seien oder nicht, wüssten, mit welchen Mitteln man für die Demokratie zu kämpfen habe, so Racan.
Niemand weiß, wo sich der gesuchte Ex-General tatsächlich aufhält. Nach Informationen aus Kreisen, die der Regierung nahe stehen, wolle sich
Norac ergeben. Es wird auch spekuliert, dass er mit der Regierung Kontakt halte und der Ladung vor das Gericht in Rijeka nachkommen wolle.
Die offizielle Diktion des Zagreber Innenministeriums lautet, Norac sei unbekannten Aufenthalts. Dem früheren Armee-General wird vom
Haager Tribunal vorgeworfen, 1991 bei einem Massaker in der Stadt Gospic serbische Zivilisten ermordet zu haben. (APA)