B. macht sich Sorgen. Um mich. Prinzipiell finde ich das ja unendlich liebenswert. Weil B. ein sehr wichtiger Mensch in meinem Leben ist. Diesmal sorgt sich B. um mein berufliches Fortkommen. Weil da irgendwo eine saublöde Geschichte gestanden ist, von der ich nichts gewusst habe. B. verfällt in solchen Fällen in eine Form der Prophezeierei, gegen die Cassandras Vision von einem brennenden Troja wie humoristisch-hyperoptimistische Schönfärberei scheint. Wenn B. anfängt sich in dieser Intensität Sorgen zu machen, kommt irgendwann der Moment, in dem auch ich mir Sorgen mache. Um B. Weil ich vermute, dass die vier Stockwerke zwischen meinem Fenster und der Straße zu kurz sind, um einen eleganten Bremsschwung vor dem Aufprall einzufügen. Was B. mir vorhält? Dass ich nicht im V8 war. Dass ich nicht einmal davon gehört habe, dass es dieses Lokal gibt. Ja in Wien. Allein diese - meine - Zwischenfrage bringt B. noch mehr in Rage. Weil es doch zu meinen „gottverdammten beruflichen Pflichten“ (B. sagt das wirklich so) gehöre, „jeden Schaß und Furz in dieser Stadt zu kennen“. Nein, nicht die ganz offiziell-staatstragend-wichtig-superöden Dinge, die ohnehin jeder weiß und hört und die in jeder Zeitung stehen, sondern die „anderen“. Die am Rand halt. Eine Frage der nationalen Ehre Die Worte „Schaß“ und „Furz“, die sonst so gar nicht zu B.s Vokabular gehören, sind kein Zufall, stelle ich gleich darauf fest: Was B. so erregt, ist, dass scheinbar irgendwo (ok, im mir bisher und wohl auch weiterhin gänzlich unbekannten V8) angeblich das erste Wiener Wettrülpsen stattgefunden hat. Ohne dass ich etwas davon mitbekommen habe. „Kollegen von dir haben das aber gewusst – und sag jetzt ja nicht ´gratuliere´, die Sache ist ernst.“ B. ärgert vor allem, dass mir dieses Versagen nicht – pardon – sauer aufstößt, sondern – wenn wir schon in dieser Diktion sind – ziemlich am Arsch vorbei geht. In England, so erfahre ich zwischen B.s drohenden Verheißungen, was passieren könnte, wenn „dein Chef“ davon erfährt, dass mein Ehrgeiz weiterhin so dramatisch gen Null sinkt, habe nämlich irgendwer mit der Lautstärke eines fünf Meter vor dem Publikum startenden Düsenjägers ein Bäuerchen gemacht. Und weil die freche Provokation hinter einem solchen Akt jedem g´standenen Patrioten so klar sein müsse, wie das gottgegebene österreichische Recht, mit kernigen Skifahrern die Welt zu knechten und dafür im Fußball erniedrigt zu werden, deswegen habe also in besagtem Lokal der heimische Gegenschlag stattgefunden. Im Rülpsen. „Ohne Dich!“ (B. ist vor Zorn aufgesprungen und droht mir mit einer halbgerauchten Zigarette - das kommt nur sehr selten vor. Drum spar ich mir die Anmerkung, dass man solche Geschichten auch ganz leicht inszenieren kann. Da würde der Tschick nämlich vielleicht fliegen lernen.) Irgendwelche feiste Knaben mit pickelig-fetter Haut, Klobrillenbärten, Baseballkappen am Kopf und Bierflaschen in der Hand hätten einen Abend lang und um die Wette in ein Lärmmessgerät gerülpst. Zur Ehre Österreichs oder so, schnaubt B. mit Schaum vor dem Mund. Erinnerungen kehren zurück Mir wird flau im Magen. Schließlich habe ich – scheinbar im Gegensatz zu B. s Kindheit und Jugend in eleganten Schweizer Nobelinternaten mit züchtigen Zofen die zum Niesen den Raum verließen – genug Schulschikurse und sonstige Zusammenkünfte diverser Jung- oder Nochnichtmänner genossen, um genau so etwas nie wieder miterleben zu wollen. Prompt schickt mir mein Gehirn nicht nur die passenden Geräusche, sondern auch gleich noch die dazugehörigen Gerüche in die Erinnerungsspeicher. Danke, B. Ich liebe Dich. B. sieht, dass ich blass werde – und zieht prompt die falschen Schlüsse: „Aha, du erkennst wohl, dass du einen Fehler gemacht hast. Gib dir gefälligst in Zukunft wieder mehr Mühe.“ Ich weiß, dass ich verloren habe. Ich werde mich eben überwinden und mehr anstrengen müssen. Hoffentlich hat kein Kollege in irgendeinem anderen Medium die Einladung zur Ausstellung der schönsten Klebebilder aus Kreuzungs- und Staunasenbohrresultaten wahrgenommen. Hoffentlich hat niemand das Figurenpinkeln im Meidlinger Beserlpark gefeatured. Hoffentlich ruft keine Kasernenstube zum kreativ-caritativen Flatulenz-Incinerationsevent auf. B. findet diese Stories - egal in welchem Bezirksblatt – und macht sich dann Sorgen. Um mich. Und so nett das auf den ersten Blick auch scheinen mag: Auf die Dauer steh ich das einfach nicht durch.